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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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diesen Regionen. Doch ich hatte mich umgestellt, war innerlich auf Überraschungen und mir Unfaßbares vorbereitet.
    Die Existenz unter diesen ungewöhnlichen Lebensbedingungen machte das Anomale zur Selbstverständlichkeit. Im Sprachschatz der »Quilaner«, oder wie sie heißen mochten, schien das Wort »unmöglich« nur noch begrenzte Bedeutung zu besitzen. Unmöglich war für sie wahrscheinlich nur noch, ins Innere der Sonne zu kriechen oder gar schneller als das Licht zu sein und damit in die Vergangenheit ihrer eigenen Geschichte zu fliegen. Auf diesem sechsten Mond hatten sie jedenfalls das unmöglich Scheinende möglich gemacht. Auls Bemerkung vom Einfliegen in den sechsten Mond war kein Sprachschnitzer gewesen. Wir befanden uns im Inneren des Himmelskörpers. Sie hatten ihn wie Maulwürfe ausgehöhlt, verwendeten diesen Trabanten als interplanetare Station.
    Wir gingen durch ein Labyrinth von Tunneln, beleuchtet und erhellt von künstlichen Energiequellen, umgeben von reiner, frischer Atemluft. Die Wände waren glattgeschliffen, der Boden mit einer Kunststoffolie bedeckt; ein Operationssaal konnte nicht sauberer sein. Aul erzählte mir, daß der sechste Jupitermond nur einen geringen Durchmesser besäße. Seine Gravitation war zu schwach, um eine Atmosphäre halten zu können. Es hätte zuviel technischen Aufwand erfordert, ein künstliches Schwerefeld zu erzeugen. Außerdem stürzten täglich mehrere Tonnen Meteoriten auf die Oberfläche. Im Innern des Trabanten sei man vor den kosmischen Geschossen sicher. Sie schilderte dies, als handelte es sich um die selbstverständlichste Sache von der Welt.
    Der Weg durch das Tunnelsystem führte durch immer neue Abzweigungen. Tiefe Stille überall, selbst unsere eigenen Schritte waren kaum zu vernehmen. Wie mochten die Schöpfer dieser Anlagen aussehen? Was hatte sie zu ihrer unendlichen Reise veranlaßt? Auf der Erde träumten die Kühnen von solchen Flügen und wußten, daß solche Träume vorerst noch ins Fabelreich gehörten. Was für ein Wesen war der angeblich »unsterbliche« Me? Warum verbarg er sich und vermied jeden Kontakt?
    Und noch etwas beschäftigte mich während unseres Marsches durch die Katakomben. Soweit ich es zu beurteilen vermochte, waren im gesamten Universum dieselben Entwicklungsgesetze wirksam. Mußte nicht jedes denkende Wesen im All – wie immer seine äußere Form auch beschaffen sein mochte – uns Menschen irgendwie ähnlich sein? Gab es eine Parallele zu unserer eigenen Entwicklung? Es war verlockend, die Frage einfach zu bejahen. Doch warum dieser endlose Weg durch das Universum? Hatte sie eine nahende Katastrophe dazu gezwungen? Oder war es ein Trieb, die Neugier, die meine Gastgeber zu dieser Reise bewogen hatte? Stand in ferner Zukunft die Menschheit vielleicht vor einer ähnlichen Alternative? Flüsternd richtete ich an Aul diese Frage.
    Sie antwortete: »Me hat mit mir über seinen Auftrag nie gesprochen. Er forscht, und ich bin glücklich, ihm dabei helfen zu können. Die Erde und die anderen Planeten umkreisen eure Sonne; sie sind Sklaven dieses Sterns, müssen ihm folgen, bis die Sonne einst gealtert sein wird und alles Leben zerstört. Me braucht mit seinem Raumschiff diesen Naturgesetzen nicht blind zu folgen; er bewegt sich frei und unabhängig im All. In ferner Zukunft werden vielleicht auch die Menschen auf der Erde diese Unabhängigkeit erreichen. Ist es nicht gut, die zerstörend wirkenden Naturkräfte zu beherrschen, sich von ihrem furchtbaren Zwang zu befreien?«
    Ich bejahte ihre Frage respektvoll und dachte: Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis unsere Sonne an Altersschwäche eingeht. Als Raumschiff scheint mir unsere Erde doch ein wenig komfortabler zu sein. Ich kam nicht dazu, weitere Fragen zu stellen, denn Auls Vater verlangsamte seine Schritte. Er lächelte mir zu, glücklich, als wäre sein verlorener Sohn heimgekehrt.
    Vor uns erweiterte sich der Tunnel, endete in einem Saal, groß wie ein Fußballstadion. Ringsum schillernde Wände aus verschiedenfarbigen Stoffen. In unsichtbaren Geräuschquellen gluckerte es; wie von Geisterhänden getragen, schwebten über uns strahlendhelle Kugeln. Vor Meßtafeln und Apparaturen bewegten sich Fritzchens Kollegen. Sie nahmen von unserm Erscheinen keine Notiz. Lautlos hantierten sie an Schaltern, führten mir unverständliche Handbewegungen aus. Es erinnerte mich an religiösen Kult.
    War hier das Energiezentrum des sechsten Mondes? Ich fragte Aul danach. Sie

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