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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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mitgebracht, niemals einen Hahn. Sie begreifen den Unterschied nicht. Deshalb schimpft Vater so sehr, denn ohne Hahn bekommen seine Hühner keinen Nachwuchs…«
Ich fühlte den unbändigen Wunsch in mir zu lachen, aber ich brachte nur ein gluckerndes Grinsen zustande. Wie oft hatte sich mein Nachbar Karmig bei mir beklagt, daß ihm in der Nacht angeblich der Fuchs die Hühner geraubt habe. Auch in den Nachbardörfern waren solche Klagen laut geworden. Die armen, unschuldigen Füchse. Karmigs Hühner auf, dem sechsten Mond! Welche orgiastische Phantasie vermochte sich eine solche Posse auszudenken?
Die Kunststoffmännlein hatten bei ihren Streifzügen mitgenommen, was ihnen in die Hände fiel. Blumen, Gras, Schmetterlinge, Käfer, Eidechsen und sogar Mäuse. An der Wand der Behausung entdeckte ich Weinranken, seitlich davon einige Gemüsebeete und Zwiebelpflanzen, Dill, Erbsen und Petersilie. Auf einem anderen Beet wuchsen Kartoffelstauden und anderes Kraut, kümmerliche Nachbildung irdischer Gartenkultur. Zum Adam fehlte nur noch die Eva.
Während ich staunend die Miniaturwelt betrachtete, hatte Waldi etwas entdeckt, was seinen Jagdinstinkt weckte. Er sah die Maus, sprang mit wütendem Knurren auf sie zu. In dem kleinen Nager war der irdische Instinkt noch lebendig; blitzschnell verschwand die Maus in einem Mondloch. Ich bemerkte das Mißfallen des Hausherrn, als der Dackel seine Schnauze in das Loch bohrte und zu kratzen anfing. Auls Vater packte ihn am Fell, und Waldi mußte sich ganz unverständliche Vorhaltungen gefallen lassen. Vorsichtshalber schleppte der Alte ihn in seine Behausung.
»Erwarten mich noch weitere Überraschungen, Aul?«
Sie verneinte und schmiegte sich lächelnd an mich, erwartete mit naiver Unschuld Zärtlichkeiten von mir. Ihre unbefangene Sinnlichkeit verwirrte mich. »Sag, Kleines, wird der große Herr Me noch mehr von diesem Viehzeug heraufbringen lassen?«
»Nein, jetzt haben wir alles, um glückhaftig zu sein.« Sie zog mich zu Bäumen und Sträuchern, die uns verbargen.
»Du wolltest mit Me reden…«
»Ich habe das Gespräch schon anmelden lassen. Jetzt muß ich warten – vielleicht fünf, sechs Umkreisungen. Wir haben viel Zeit für uns. Bin ich wirklich hübsch?«
»Ja, natürlich…«
»Und bin ich auch so, wie die Weiber auf der Erde?«
»Du sollst nicht immer Weiber sagen. Aber ähnlich bist du ihnen schon – wenigstens in einigen Dingen.«
»Warum nur in einigen Dingen? Was mache ich falsch? Sag es mir, ich will alles lernen.«
»Dann schweige. Auf der Erde reden die Mädchen nicht soviel.«
Sie sagte kein Wort mehr.

10
    Die kleine Welt war beinahe vollkommen. Eine einfache Regelautomatik ließ in bestimmten Zeitabständen das Licht unmerklich dunkler werden und schließlich verlöschen. So erhielt Auls Vater die Illusion einer Morgen- und Abenddämmerung und den Tag- und Nachtrhythmus. Sogar die Tiere und Pflanzen richteten sich danach. Lediglich Aul bedurfte dieser Täuschung nicht. Sie lebte von Energiekonzentraten, schlief, nach irdischer Zeit gerechnet, nur jeden vierten Tag, dann jedoch gleich achtzehn Stunden. Dieses Schlafbedürfnis erfolgte mit minutiöser Genauigkeit, wovon ich mich selbst, ohne die Ursache zu kennen, bald überzeugen konnte.
    Wir befanden uns noch immer hinter den Sträuchern, als Aul inmitten zärtlichster Umarmung urplötzlich von Müdigkeit übermannt wurde. Wie sie in allen Dingen ihren Gefühlen freien Lauf ließ, fing sie auch jetzt ungeniert an zu gähnen. Da ich die Ursache noch nicht kannte, löste ich betroffen meinen Arm. Sie erhob sich, murmelte, jetzt sei Schlafenszeit, und wankte benommen über den Rasen.
    »Kein Mädchen auf der Erde würde sich so benehmen!« rief ich ihr nach.
Aul reagierte nicht darauf. Verärgert blieb ich liegen und brachte meine Enttäuschung über Aul und den ganzen sechsten Mond durch nicht besonders höfliche Kommentare zum Ausdruck. In meinem Groll bemerkte ich nicht, daß ihr Vater, begleitet von Fritzchen, sich näherte. Erst als beide vor mir standen, sah ich sie. Ich blieb verstimmt liegen.
Der Alte betrachtete mich mit wohlwollendem, wissendem Lächeln.
»Einige Tage noch, dann wird auch dich der Schlaf wie ein Unwetter überraschen«, ließ er Fritzchen übersetzen. »Du darfst meinem Täubchen nicht böse sein, sie hat die barbarischen Sitten dieser Überzivilisation angenommen, verzichtet auf das Labsal natürlicher Speisen und nährt sich von einem Wundermittel. Es ist an der Zeit, daß ihr beide

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