Zeit der Sternschnuppen
andere Nahrungsmittel aufbewahrt, sogar Zwiebeln, Schnittlauch und Petersilie. Neben der Vorratskammer stand ein Faß, zu drei Viertel mit Wein gefüllt. Was mich jedoch weit mehr überraschte, war eine kleine Töpferwerkstatt mit einem elektrischen Ofen. Die Töpferscheibe mußte mit dem Fuß in Schwung gebracht werden. Am liebsten hätte ich mich gleich an die Scheibe gesetzt und versucht, etwas zu formen. Der Alte hatte es zu einer erstaunlichen Meisterschaft gebracht. Auf einem langen Brett standen Töpfe, Krüge und Vasen, alle in der wunderbaren antiken Form gedreht.
Ich weiß nicht, wieviel Zeit bei unserer Besichtigung vergangen war. Auls Vater wurde nicht müde, mir alle Einzelheiten seiner kleinen Welt zu zeigen. Immer wieder versicherte er mir, daß dies nun auch mir gehöre. Ihm kam gar nicht der Gedanke, daß mein Besuch nur vorübergehend sein könnte. Ich nickte zu allem, was er sagte. Was in diesen Stunden meiner Phantasie zugemutet wurde, hatte längst die Grenzen des Faßbaren erreicht. Mit kühnen, romantischen Vorstellungen war ich in den Transporter gestiegen, überzeugt, der Zeit um zwei- oder dreitausend Jahre vorauszueilen. Nun stellte sich heraus, daß ich zweieinhalbtausend Jahre zurückgeflogen war. Die »Quil« und die Weisheit Auls, die elektronischen Intelligenzbestien blieben mir so fremd wie die antike Welt des Alten.
Wir gelangten in einen schmalen Gang, dessen Wände aus buntschillerndem Glas bestanden. Der Alte löste einen Mechanismus aus, der die Wand teilte. Es flimmerte vor meinen Augen. Träumte ich? War ich das Opfer von Spiegelungen, die mir eine Scheinwelt vorgaukelten?
Wir standen in einem Garten wie an einem schönen Sommertag auf Manik Maya. Vor mir eine kleine Wiese, von Bäumen und Sträuchern begrenzt. Das Gackern von Hühnern drang in meine Ohren.
Es war warm und lichtüberflutet. Unwillkürlich blickte ich nach oben, suchte den blauen Himmel, die Wolken und die Sonne. Grelles Licht blendete mich. Künstliche Strahlungsquellen erhellten und erwärmten die Anlage. Auls Vater erklärte etwas, aber ich hörte nicht zu. Mein Verstand weigerte sich, das dubiose Bild als Realität zu begreifen. Ich sah, wie sich Waldi auf dem Gras wälzte, ging selbst ein paar Schritte über den Rasen, rupfte Grashalme aus und war darauf vorbereitet, daß gleich etwas Ungewöhnliches geschehen würde, ein Donnerschlag etwa, der mich aus diesem Traumland erwachen ließ.
Es geschah nichts, das Bild blieb unverändert.
Was mich umgab, war keine Fata Morgana. Tausend Details nahmen meine Sinne wahr, Details aus einer Welt, die in der Retorte hergestellt sein mußte. Zehn Meter von mir entfernt, unter Apfelbäumen, scharrten Hühner, weiße Legehennen. Zwischen dem Gras leuchteten gelbe Butterblumen, Veilchen und Klee. Zwei Schmetterlinge, ein Pfauenauge und ein Zitronenfalter, flatterten umher, eine goldbraune Eidechse raschelte durch das Gras. Hinter mir dolmetschte Fritz die anerkennenden Worte des Alten für den großen Me, der diese Anlage errichtet hatte. Ich beobachtete eine Wühlmaus, die furchtlos an einem heruntergefallenen Apfel knabberte.
»Sieht es so auf der Erde aus?« erkundigte sich Aul.
Ich sagte: »Ja, so sieht es dort aus, ich vermisse nur die Ziegenherden…«
Sie bemerkte die Ironie und meinte: »Was du hier siehst, ist nichts Übernatürliches. Vater brauchte ein annäherndes Abbild seiner früheren Umgebung. Deshalb ließ Me alles, was du hier siehst, von der Erde herschaffen. Die Transporter waren oft auf dem Planeten – du selbst hast sie einmal dabei beobachtet. Damals hatten sie die Hühner und Mäuse mitgebracht.«
Ihre Erklärung machte die Konfusion nur noch größer für mich. Die Bäume im Hintergrund, einige Kiefern, Tannen und Pappeln, ragten in gespenstischer Stille ins künstliche Licht. Kein Lufthauch bewegte sie. In meiner Erinnerung tauchte das nächtliche Bild von Manik Maya und der Wiese auf. Als wäre es gestern gewesen, sah ich sie mit ihrem Diskus auf der Wiese landen und aussteigen, sah, wie sie auf der Wiese etwas ausrupften. Was für ein verschwenderischer Aufwand, um dem Alten eine Illusion zu erhalten.
Ein urkomischer Gedanke kitzelte mich plötzlich. Sie waren immer nur in der Dunkelheit, bei starkem Nebel gekommen, immer nach Mitternacht. Nachts aber liefen keine Hühner auf der Wiese umher. Woher kamen die Hühner? Ich fragte Aul. »Sie holten sie aus den Hühnerställen«, wurde ich aufgeklärt. »Leider haben die Kleinen immer nur Hühner
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