Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
Vom Netzwerk:
sagtest du – ›zweitausend vor Christus‹? Was bedeutet das?«
Ich hätte diesen Begriff nicht verwenden sollen, dem ahnungslosen Alten war ja die ganze Entwicklung entgangen. Zögernd ließ ich Fritzchen übersetzen: »Lange nach deiner Zeit lebte ein junger Mann, der an die Gerechtigkeit glaubte und sie allen Menschen verkündete. Er fand viel Beifall. Als er jedoch seine Ideen in die Tat umsetzen wollte, die Händler und Wucherer aus den Tempeln jagte und gar verkündete, daß alle Menschen gleich seien, da wurde er den Mächtigen im Lande unbequem…«
»Oh, das kenne ich, das ist nicht neu«, unterbrach er mich. »Auch zu meiner Zeit gab es solche Propheten. ›Liebet euch, seid brüderlich zueinander!‹ durften sie verkünden. Wenn sie es jedoch zu hartnäckig forderten, wurde ihnen der Kopf abgehackt. Ich konnte sie nie ausstehen. Doch erzähle weiter, was wurde mit eurem Christus?«
»Sie nagelten ihn ans Kreuz.«
Er strich sich über den Bart und meinte nachdenklich: »Ich denke heute über manches anders. Glaube einem erfahrenen alten Mann: Wer die Wahrheit verkünden will, der braucht eine Tarnkappe. Immer wieder kommen sie, wollen die Welt verändern. Als wenn nicht alles vorherbestimmt wäre. Die Götter haben die Menschen von Natur aus nicht gleichgemacht, also wird alles beim alten bleiben. Habe ich recht, mein Sohn, hat sich etwas geändert?«
»Sehr viel, Vater, und es wird sich weiter verändern. Die Träume der Propheten deiner Zeit fangen an, Wirklichkeit zu werden.«
Der Alte sah mich zweifelnd an, knurrte etwas Unübersetzbares. Aul bat uns, die Unterhaltung später fortzusetzen – wir standen noch immer zwischen Tür und Angel. Sie nahm Waldi auf den Arm. Ihr Vater forderte mich auf einzutreten.
Im ersten Moment glaubte ich mich in die Kulisse eines Theaterstücks versetzt. Das große rechteckige Zimmer ähnelte einer alten Bauernstube. An den Wänden hingen Töpfe und Krüge, in der Ecke stand ein Holzbett. In der Mitte des Raumes stand ein primitiv zusammengezimmerter Tisch, davor eine Bank und zwei Stühle. Ein hellgrüner Vorhang aus grobem Leinen, mit Sternen bestickt, ersetzte die Tür zu einem zweiten Raum. Fenster waren nicht zu sehen, trotzdem war es taghell. Das künstliche Licht war der einzige Stilbruch – eine Ölfunzel oder ein Kienspan hätten besser hierher gepaßt.
Der Alte berührte meine Hand und verneigte sich. Dann hieß er mich wortreich in seiner Behausung willkommen und bedauerte, mir keine Hammelkeule oder gebackene Lerchen anbieten zu können. Auch wisse er, daß ich mit diesen scheußlichen Energietabletten gespeist worden sei, eine Neuigkeit, von der ich bislang nichts gewußt hatte, die mir aber nach einem so langen Aufenthalt einleuchtend erschien.
Er schob den Vorhang zur Seite, führte mich in den Nebenraum. Er war ähnlich eingerichtet und für mich und Aul bestimmt. Meine Verblüffung verwandelte sich in Verwirrung, als ich das Bett bemerkte. Es war für zwei Personen bestimmt und besaß sogar richtige Federkissen. Mehr habe er seinen Kindern leider nicht anzubieten, übersetzte mir Fritzchen. Ich brachte kein Wort heraus, war auf alles gefaßt.
Während ich noch immer ganz verdattert meine künftige Wohnung betrachtete, unterhielt sich der Alte leise mit seiner Tochter. Was Fritz mir bruchstückweise dolmetschte, brachte mich an den Rand der Verzweiflung. Es war von einem Festessen die Rede, von einem Hochzeitsmahl. Dann folgten Bemerkungen, die ich zuerst für einen Übersetzungsfehler hielt. Der Alte bedauerte, daß ich keinen Hahn mitgebracht habe, schimpfte auf die Roboter, nannte sie faules Gesindel.
Ich dachte: Lange hältst du das nicht durch. Entweder sind die beiden verrückt, oder du hast selber einen Stich. Konnten nicht Einsamkeit und Erinnerungen bei dem Alten von Zeit zu Zeit Bewußtseinstrübungen hervorrufen? Daß er mir seine Tochter zum Geschenk anbot, mochte seinem barbarischen Zeitgeschmack entsprechen, aber wieso verlangte er von mir einen Hahn? Ich war entschlossen, auf alles einzugehen, was immer er auch von mir verlangen sollte. Nur nicht reizen – zur Not konnte ich auch, sollte es gewünscht werden, krähen und gackern…
Im Zuhause des Alten befand sich alles, was ein anspruchsloser Mensch zum Leben benötigte: Werkzeuge, um Holz zu bearbeiten, ein Stapel Bretter, eine Wasserleitung und sogar ein Klosett. In einer kleinen Vorratskammer befand sich eine Kühlanlage. In ihr waren Hühnereier, merkwürdig geformte Brote und

Weitere Kostenlose Bücher