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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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Nowi. ∗ Doch lassen wir die Vergangenheit ruhen. Wenn ich es recht betrachte, kann ich eigentlich mit meiner kleinen Privatwelt zufrieden sein. Es hängt immer von meiner Stimmung ab – mal zieht’s mich zur alten Erde, dann wieder gefällt mir der Hokuspokus des Me. Jetzt zum Beispiel fühle ich mich sauwohl. Stoßen wir an; worauf trinken wir?«
Ich stieß mit ihm an und sagte: »Trinken wir auf alle, die in den Geschichtsbüchern nur als Ziffern vermerkt wurden, die euch das Lotterleben ermöglicht haben und die heute selber die Geschichte machen.«
Er verzog das Gesicht. »Meinetwegen, aber erlaube, daß ich Melitta mit einschließe. Melitta war eine Tänzerin. Oh, Istar, was für ein Weib! In ihren schwarzen Augen brannte das Feuer der Göttin von Arku, ihr Körper war geschmeidig wie Efeu, der sich um den Stamm rankt. Sie war die leibhaftige süße Sünde. Leeren wir den Krug in einem Zug, wollen sehen, wer zuerst die Knie beugt.«
    ∗ Ein fauler Bote ist ein halber Prophet.
    Er trank tatsächlich den halben Liter, ohne abzusetzen. In diesem Duell hatte ich keine Chance gegen ihn. Schon jetzt vollführten meine Gedanken sonderbare Sprünge. Der Alte zog mich in die Töpferwerkstatt, öffnete seine Vorratskammer. »Essen hält Leib und Seele zusammen, nimm dir, was du übriggelassen hast, es ist gut gegen Trunkenheit.«
    »Ich mag nicht essen, fühle mich ausgezeichnet. Glaub mir, Vater, man sieht die Vergangenheit um so klarer, je unschärfer die Gegenwart wird…« Ich wandte mich an meinen Dolmetscher: »Fritz, alter gefühlloser Knabe, was bist du, Esda oder Eidi? Außen- oder innenverwendungsfähig?«
    »Ich bin Eidi«, antwortete Fritz.
»Es war zu erwarten«, brummte ich, »die Intellektuellen taugen alle nicht für den Außendienst. Dabei bist du nur ein halber Intellektueller, kannst nicht selbständig denken…«
»Kann einen Hahn nicht von einer Henne unterscheiden!« knurrte der Alte dazwischen.
»Er ist ein Fachidiot, aber er gehört mir. Bestelle mir sofort ein Pilsner Bier, Fritz. Wenn Pilsner nicht vorrätig, dann ein Wernesgrüner Pils.«
Fritzchen strapazierte seih Elektronengehirn und beteuerte, diese Wörter nicht zu kennen. Der Alte knatschte an einer Pellkartoffel, ohne die Schale zu entfernen. »Er erinnert mich an Sin-alab, einen bärenstarken Sklaven, den ich gegen drei fette Hammel eingetauscht hatte«, sagte er. »Er tat alles, was man von ihm verlangte, wäre in den Ofen gekrochen, wenn ich es verlangt hätte.«
In meinem trunkenen Zustand schien sich auf einmal mein Ich umzukehren. Berauschend ging es mir durch den Kopf: Du hast einen Sklaven, ein Werkzeug mit einer Stimme. Selbstkritik und innere Zensur, die das sittliche Bewußtsein unter Kontrolle hielten, waren eingeschläfert. »Hast du gehört, Fritz, was der Vater von seinem treuen Sin-alab sagte?« fragte ich.
»Ich habe es gehört.«
»Und du weißt auch, daß du mir zu gehorchen hast?«
»Ich weiß es.«
»Du wirst also alles tun, was ich dir befehle?«
»Ja.«
»Dann krieche in den Ofen und verbrenne dich.«
Er rührte sich nicht.
»Hast du meinen Befehl nicht verstanden?« fragte ich drohend. »Ist dein Empfänger plötzlich defekt? Du sollst in den Ofen kriechen! Auf der Erde wurden Tausende lebendigen Leibes verbrannt, und das waren Menschen…«
Fritzchens Glaskopf färbte sich plötzlich feuerrot. Erschrocken trat ich einen Schritt zurück, überzeugt, er müsse jeden Moment explodieren. Seine Stimme hatte einen etwas helleren Klang, als er erwiderte: »Du hast einen sinnwidrigen Befehl erteilt. Es ist mir nicht erlaubt, mich zu zerstören.«
Der Alte, an einer Zwiebel kauend, hatte sich den Dialog übersetzen lassen. »Ein miserables Gebilde«, krächzte er, »meine Sklaven waren vollkommener. Sie hätten es nicht gewagt, eigene Gedanken zu äußern. Mein Oberaufseher kannte feine Methoden, den Starrsinn dieser Kreaturen zu brechen. Bei diesem hier nützt selbst das Auspeitschen nichts, denn er hat keine Empfindungen…«
Als der Alte seine Sklaven erwähnte, schlug meine Stimmung um. Seine selbstgefällige Art, sein maßloses Schwelgen in Erinnerungen an tyrannische Zeiten mißfiel mir seit langem. Jetzt glaubte ich mich in der richtigen Verfassung, ihm einen Denkzettel zu geben. »Beruhige dich, Fritz«, sagte ich, »ich wollte nur deine Vernunft testen. Du hast korrekt reagiert. Jetzt etwas anderes. Wirf die Töpfe und Krüge vom Regal.«
Wieder verfärbte sich für einen Augenblick sein Kopf. Als der Alte

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