Zeit der Sternschnuppen
morgen wird der Unterricht fortgesetzt, ich mache einen Meister der Töpferkunst aus dir. Jetzt ist’s Zeit, schlafen zu gehen, draußen dämmert’s, die Hühner haben sich bereits verkrochen.«
Das langsam erlöschende Licht löste zum ersten Male auch bei mir einen Reflex aus. Ich fing an zu gähnen, folgte dem Alten in die Stube. Er hat recht, dachte ich, die paar Tage, die ich noch hier bin, muß ich nutzen. Vormittags werde ich in der Werkstatt arbeiten, nachmittags zeichnen und ein Tagebuch anlegen. Schade um jede Stunde, die man verbummelt…
13
Ich wollte schlafen, doch ich fand keine Ruhe. Mein Kopf schmerzte, der strapazierte Magen produzierte Übermengen Säure. Ich wälzte mich hin und her, ohne die Erquickung des Schlafes zu finden. Was, wenn Me uns wirklich alle drei zurückschickte? Man müßte sie als Handelsvertreter aus Bagdad ausgeben – aber woher die Pässe nehmen? Meine Probleme bewegten mich noch im Halbschlaf. Dann weckten mich näher kommende Schritte. Ich blinzelte müde auf den Vorhang, sah, wie Aul eintrat, und wußte eine Zeitlang nicht, ob die Erscheinung zum Schlaf oder zur Wirklichkeit gehörte.
Aul stellte eine große, durchsichtige Vase auf den Tisch. Dann legte sie einen Beutel daneben und wandte sich mir zu. »Guten Tag, du Weltenbummler«, begrüßte sie mich. »Hat mein Mondmensch endlich ausgeschlafen?«
Ich war noch viel zu müde, um auf ihre Begrüßung zu reagieren. Auch verspürte ich Kopfweh und einen unangenehmen Druck in der Magengegend. Sie hatte sich über mich gebeugt, wollte mich küssen. Als ihr Gesicht schon ganz nahe war, trat sie einen Schritt zurück, blickte mich konsterniert an.
»Du stinkst«, sagte sie empört, »du riechst nach Wein und Zwiebeln. Vater hat dich zum Trinken verleitet. Ich hätte es wissen müssen, man darf ihn nicht einen Tag allein lassen. Und du machst das mit – schäme dich.«
»Noch was?« brummte ich schlaftrunken. »Bist du fertig mit der Moralpredigt? Hast du mit Me gesprochen? Oder hast du nur einem Oberpriester Bericht erstattet?«
»Du sollst nicht immer Vaters Unsinn nachreden. Siehst ganz vergnatzt aus. Hast du viel gegessen und getrunken?«
»Es geht. Ein Huhn, zwei Kilo Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Eiern. Dazu zwei bis drei Liter Wein…«
»O unsterblicher Me«, stöhnte Aul. Sie nahm einen kleinen Krug, füllte ihn mit Wasser und goß den Inhalt einer Ampulle hinein. »Trink das«, befahl sie.
»Warum?«
»Es wird dir helfen.«
»Ich will nicht«, sagte ich widerspenstig, »ich fühle mich nicht krank.«
Aul stellte den Krug zurück und ging verärgert an den Tisch. Dort nahm sie etwas Glitzerndes aus dem Beutel und ließ es in die Vase fallen.
»Was für Steine legst du immer in die Vasen?« erkundigte ich mich. »Du hast das schon öfter getan. Ist das Blumendünger?«
»Es sind nur hübsche Steine«, antwortete sie verstimmt, »nichts weiter als Kohlenstoff.«
Das Feuer der Steine riß mich hoch. Kohlenstoff – Diamanten und Rubine! Für die Schöpfer der »Quil« konnte es keine Schwierigkeit sein, solche Edelsteine im Vakuum unter hohem Druck herzustellen. Aul schüttete den Inhalt des Beutels auf den Tisch. Es waren tatsächlich geschliffene Diamanten, einige groß wie Hühnereier. Dazwischen kleine geometrisch geformte Figuren aus mattglänzendem Metall, Pyramiden, Dodekaeder, Würfel aus reinem Gold.
»Ich finde, die Steine verschönern die Blumen«, sagte Aul, als sie meine Faszination bemerkte. »Nachher werden wir auf der Wiese einen schönen Blumenstrauß pflücken.«
Ein eiskalter Wasserstrahl hätte mich nicht schneller wach machen können. Ich wog einige der Goldkörper in der Hand – ein märchenhafter Reichtum lag vor mir. In Gedanken setzte ich das Gramm in Geld um, errechnete phantastische Summen. »Aul, Sternschnuppe, hier liegt ein Vermögen. Wir sind reich, unvorstellbar reich…«
Aul sah mich fragend an, verstand meine Bemerkung nicht. »Ich freue mich, daß du Gefallen an den Steinen findest. Draußen, im Licht, funkeln sie wie Sterne…«
Mit einem Dutzend solcher »Sterne« wären wir auf der Erde von allen finanziellen Sorgen befreit. Was für ein Glück, gerade jetzt auf diesen Schatz gestoßen zu sein. »Aul, woher hast du die Steine und das Feingold?«
»Die Steine und das feine Gold sind von einer Abfallgrube an der Einflugschleuse. Es sind Abfallprodukte. Manchmal nehme ich mir davon. Ein Roboter bearbeitet mir die Steine und das Metall.«
Ich setzte mich auf die Bank.
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