Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
entspannen, während er den Unbekümmerten spielte.
»Woher habt Ihr das, Monsieur, wenn ich fragen darf?« Rosenwald blickte zu ihm auf, doch es lag keine Anklage in seinem betagten Gesicht – nur eine Mischung aus Wachsamkeit und Erregung.
»Es ist ein Erbstück«, sagte Rakoczy, der Inbegriff aufrichtiger Unschuld. »Eine alte Tante hat es mir hinterlassen – und einige andere Stücke. Ist es mehr wert als das Silber, aus dem es besteht?«
Der Goldschmied öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder und sah Rakoczy an. Ob er ehrlich war?, fragte sich Rakoczy neugierig. Dass es etwas Besonderes ist, hat er mir ja schon gesagt. Wird er mir auch sagen, warum, um vielleicht noch andere Stücke zu bekommen? Oder lügen, um dieses hier billig zu ergattern? Rosenwald hatte einen guten Ruf, doch war er weise oder nur schlau?
»Paul de Lamerie«, sagte Rosenwald ehrfürchtig, und sein Zeigefinger berührte das Markenzeichen. »Es stammt von Paul de Lamerie.«
Rakoczy erschrak bis auf die Knochen. Merde ! Er hatte sich vergriffen!
»Tatsächlich?«, sagte er, um schlichte Neugier bemüht. »Hat das etwas zu bedeuten?«
Es bedeutet, dass ich ein Dummkopf bin , dachte er und fragte sich, ob er das Tablett nicht an sich reißen und auf der Stelle gehen sollte. Doch der Goldschmied hatte es mitgenommen, um es sich unter der Lampe genauer anzusehen.
»De Lamerie war einer der besten Goldschmiede, die je in London gearbeitet haben – vielleicht sogar auf der ganzen Welt«, sagte Rosenwald halb zu sich selbst.
»Tatsächlich«, sagte Rakoczy höflich. Er war in Schweiß gebadet. Nom d’un chameau! Doch halt – Rosenwald hatte »war« gesagt. De Lamerie war also tot, Gott sei Dank. Vielleicht war ja der Herzog von Sandringham, dem er das Tablett gestohlen hatte, ebenfalls tot? Er begann aufzuatmen.
Stücke, die identifizierbar waren, verkaufte er frühestens hundert Jahre, nachdem er sie bekommen hatte; das war sein Prinzip. Das andere Tablett hatte er 1630 in den Niederlanden einem reichen Kaufmann beim Kartenspiel abgeknöpft; dieses hier hatte er 1745 gestohlen – gefährlich nah. Dennoch …
Das Klingeln der Silberglocke über der Tür riss ihn aus seinen Gedanken, und als er sich umwandte, sah er einen jungen Mann eintreten, der seinen Hut abzog und einen auffallenden dunkelroten Haarschopf preisgab. Er war zwar à la mode gekleidet und sprach den Goldschmied in perfektem Pariser Französisch an, doch er sah nicht wie ein Franzose aus. Ein Gesicht mit einer langen Nase und leicht schrägen Augen. Das Gesicht hatte etwas schwach Vertrautes an sich, obwohl sich Rakoczy sicher war, dass er diesen Mann noch nie gesehen hatte.
»Bitte Sir, fahrt nur mit Euren Geschäften fort«, sagte der junge Mann mit einer höflichen Verbeugung. »Ich wollte Euch nicht unterbrechen.«
»Nein, nein«, sagte Rakoczy und trat vor. Er winkte den jungen Mann an die Ladentheke. »Bitte fahrt nur fort. Monsieur Rosenwald und ich haben uns nur über den Wert dieses Gegenstandes unterhalten. Es bedarf noch einiger Überlegung.« Er streckte den Arm aus und zog das Tablett an sich. Jetzt, da er es an seine Brust geklammert hielt, fühlte er sich gleich ein wenig besser. Er war sich nicht sicher; falls er beschloss, dass der Verkauf zu riskant war, konnte er sich leise davonstehlen, während Rosenwald mit dem rothaarigen jungen Mann beschäftigt war.
Der Jude zog ein überraschtes Gesicht, doch nach kurzem Zögern nickte er und wandte sich dem jungen Mann zu, der sich als Michael Murray vorstellte, Partner bei Fraser et Cie, dem Weinhändler.
»Ich glaube, Ihr seid mit meinem Vetter Jared Fraser bekannt?«
Rosenwalds rundes Gesicht erhellte sich auf der Stelle.
»Oh, aber gewiss doch, Sir! Ein Mann von ganz exquisitem Geschmack und Urteilsvermögen. Ich habe vor nicht einmal einem Jahr einen Weinspender für ihn angefertigt, der mit Schmetterlingen und Nelken verziert war!«
»Ich weiß.« Der junge Mann lächelte, ein Lächeln, das ihm die Wangen kraus zog und die Augen zukniff, und wieder hatte Rakoczy dieses leise Gefühl der Vertrautheit. Doch der Name sagte ihm nichts – nur das Gesicht, und auch das nur vage.
»Mein Onkel hat einen neuen Auftrag für Euch, wenn das möglich ist?«
»Ich sage niemals nein zu ehrlicher Arbeit, Monsieur.« Der Freude im rundlichen Gesicht des Goldschmieds nach war ihm ehrliche Arbeit umso herzlicher willkommen, wenn sie gut bezahlt wurde.
»Nun denn – wenn ich darf?« Der junge Mann zog
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