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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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dritten Monat einen Riesenbauch hatte und im sechsten aussah, als würde sie platzen, und sie hatte Angst, dass sie sterben würde, wenn ihre Zeit gekommen war, so wie es ihrer Mutter gegangen war, deren Kind zu groß war, um geboren zu werden – ich meine Todesangst , nicht nur so wie es bei allen Frauen ist. Und ich habe sie eines Tages an der Niniansquelle getroffen, und eine der Stimmen hat zu mir gesagt, › Sag ihr, Gottes Wille wird geschehen, und sie wird einen gesunden Sohn bekommen.‹«
    »Und hast du ihr das gesagt?«
    »Ja. Ich habe zwar nicht gesagt, woher ich das wusste, aber es muss so geklungen haben, als ob ich es wüsste, weil ihr armes Gesicht ganz plötzlich angefangen hat zu leuchten und sie meine Hände gepackt und gesagt hat: ›Oh! Dein Wort in Gottes Ohr!‹«
    »Und hat sie einen gesunden Sohn bekommen?«
    »Aye – und eine Tochter. Es waren Zwillinge.« Joan lächelte bei der Erinnerung an Annies leuchtendes Gesicht.
    Michael warf einen Seitenblick auf Schwester Eustacia, die sich von der Familie der neuen Postulantin verabschiedete. Das Mädchen war weiß im Gesicht, und ihr liefen die Tränen über die Wangen, aber sie klammerte sich an Schwester Eustacias Ärmel, als wäre dieser ein Rettungsseil.
    »Ich verstehe«, sagte er langsam und richtete den Blick wieder auf Joan. »Ist das der Grund, warum – waren es die Stimmen, die dir gesagt haben, du sollst Nonne werden?«
    Sie blinzelte, überrascht, weil er anscheinend einfach so hinnahm, was sie ihm erzählt hatte, noch mehr aber wegen seiner Frage.
    »Also … nein. Das haben sie nie getan. Man sollte meinen, es wäre so gewesen, oder?«
    Er lächelte ein wenig.
    »Vielleicht.« Er hüstelte, dann blickte er ein wenig schüchtern auf. »Es geht mich ja nichts an, aber was war denn der Grund, warum du Nonne werden wolltest?«
    Sie zögerte, aber … warum nicht? Das Schlimmste hatte sie ihm ja schon erzählt.
    »Wegen der Stimmen. Ich dachte, vielleicht – vielleicht würde ich sie ja hier drinnen nicht hören. Oder falls doch, könnte mir vielleicht eines Tages jemand – vielleicht ein Priester? – sagen, was sie sind und was ich damit tun soll?«
    Schwester Eustacia tröstete das neue Mädchen und war halb auf ein Knie gesunken, um ihr kräftiges, einfaches, liebes Gesicht dicht vor das des Mädchens zu bringen. Michael sah die beiden an, dann richtete er den Blick erneut auf Joan und zog die Augenbraue hoch.
    »Ich vermute, du hast es noch niemandem verraten«, sagte er. »Wolltest du es erst bei mir ausprobieren?«
    Ihr Mund zuckte ebenfalls.
    »Möglich.« Seine Augen waren dunkel, doch sie hatten etwas Warmes an sich, als entzögen sie es den Flammen seines Haars. Sie senkte den Blick; ihre Hände kneteten den Saum ihrer Bluse, die sich aus der Robe gelöst hatte. »Das ist aber nicht alles.«
    Er stieß einen jener Kehllaute aus, die »Aye, sprich nur weiter« bedeuteten. Warum machten die Franzosen das nicht?, fragte sie sich. So viel einfacher. Doch sie schob den Gedanken beiseite; sie hatte sich entschlossen, es ihm zu erzählen, und jetzt war die Zeit dazu da.
    »Es ist wegen – deines Freundes«, platzte sie heraus. »Den ich bei dir zu Hause kennengelernt habe. Monsieur Pépin«, fügte sie ungeduldig hinzu, als er sie verständnislos ansah.
    »Aye?« Er klang so verdattert, wie er aussah.
    »Aye. Als ich ihm begegnet bin, hat eine Stimme gesagt, ›Sag ihm, er soll es nicht tun.‹ Und ich habe es nicht getan. Ich hatte Angst.«
    »Das hätte mich mit Sicherheit ebenso verstört«, beruhigte er sie. »Sie hat aber nicht gesagt, was er nicht tun sollte?«
    Sie biss sich auf die Lippe.
    »Nein, das hat sie nicht. Und dann habe ich vor zwei Tagen auf dem Markt diesen Mann gesehen – den Grafen, hat eine Schwester gesagt, er sei der Graf von St. Germain –, und die Stimme hat genau das Gleiche gesagt, nur um einiges drängender. ›Sag ihm, er soll es nicht tun. Sag ihm, er darf es nicht tun.‹«
    »Ach ja?«
    »Aye, und sie war sehr nachdrücklich. Ich meine – eigentlich sind sie das immer. Es ist nie einfach nur eine Meinungsäußerung, die man ignorieren kann. Aber dieser Stimme war es wirklich ernst.« Sie breitete die Hände aus, weil sie außerstande war, ihm dieses Gefühl in der gebotenen Dringlichkeit zu erklären.
    Michael zog seine dichten roten Augenbrauen zusammen.
    »Meinst du, es ist bei beiden dasselbe, was sie nicht tun sollen?« Er klang verblüfft.
    »Nun, woher soll ich das wissen?«, sagte sie

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