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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ein wenig atemlos. »Das haben die Stimmen nicht gesagt. Aber ich habe gesehen, dass der Mann auf dem Schiff sterben würde, und ich habe nichts gesagt, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Und dann ist er gestorben, und vielleicht wäre er ja noch am Leben, wenn ich etwas gesagt hätte … Also – nun ja, ich dachte, am besten sage ich es irgendjemandem, und du kennst ja Monsieur Pépin zumindest.«
    Er dachte kurz über ihre Worte nach, dann nickte er unsicher.
    »Aye. Also gut. Ich werde – nun, ich weiß auch nicht, was ich tun soll, wenn ich ehrlich bin. Aber ich werde mit beiden sprechen, und ich werde das im Hinterkopf haben. Vielleicht fällt mir ja dazu etwas ein. Möchtest du, dass ich zu ihnen sage, ›Tut es nicht‹?«
    Sie verzog das Gesicht und sah Schwester Eustacia an. Es blieb nicht viel Zeit.
    »Dem Grafen habe ich es schon gesagt. Nun – vielleicht … Ja, wenn du meinst, es könnte helfen. Und jetzt …« Ihre Hand fuhr unter ihre Schürze, und sie steckte ihm ein Stück Papier zu. »Und ich wollte, dass Mama weiß, dass es mir gut geht. Könntest du dafür sorgen, dass sie das bekommt, bitte? Und … und ihr vielleicht auch selbst noch etwas erzählen, also, dass ich zufrieden bin und … und glücklich. Sag ihr, dass ich glücklich bin«, wiederholte sie, diesmal entschlossener.
    Schwester Eustacia war wieder da und stand an der Tür. Man konnte ihr ansehen, dass sie jeden Moment zu ihnen kommen und ihnen sagen würde, dass es Zeit war, dass Michael ging.
    »Das tue ich«, sagte er. Er durfte sie nicht berühren, das wusste er, also verneigte er sich stattdessen und verneigte sich noch tiefer vor Schwester Eustacia, die jetzt mit gutmütiger Miene auf sie zukam.
    »Ich werde regelmäßig sonntags zur Messe in die Kapelle kommen, wie wäre das?«, sagte er rasch. »Wenn du mich sprechen musst, gib mir ein Zeichen mit den Augen. Ich lasse mir dann etwas einfallen.«
    Am nächsten Tag
    SCHWESTER JOAN-GREGORY, Postulantin Unserer Lieben Frau der Engelskönigin, betrachtete das Hinterteil einer großen Kuh. Der Name besagter Kuh war Mirabeau, und sie besaß ein unstetes Temperament, wovon ihr nervös pinselnder Schwanz zeugte.
    »Sie hat diese Woche schon drei von uns getreten«, sagte Schwester Anne-Joseph mit einem tadelnden Blick auf die Kuh. » Und zweimal die Milch umgeworfen. Schwester Jeanne-Marie war außer sich.«
    »Nun, das geht aber wirklich nicht, nicht wahr?«, murmelte Joan auf Englisch. » N’inquiétez-vous pas «, fügte sie auf Französisch hinzu und hoffte, dass das zumindest vage korrekt war. »Lasst mich das nur machen.«
    »Lieber Ihr als ich«, sagte Schwester Anne-Joseph, bekreuzigte sich und verschwand, bevor es sich Schwester Joan womöglich anders überlegte.
    Eine Woche Stalldienst im Kuhstall war als Bestrafung für ihre Flatterhaftigkeit auf dem Markt gedacht, doch Joan war dankbar dafür. Es gab nichts, was beruhigender war als Kühe.
    Zugegeben, die Kühe des Klosters hatten kaum Ähnlichkeit mit den sanftmütigen, zotteligen Highlandkühen ihrer Mutter. Aber wenn man es genau betrachtete, blieb eine Kuh doch eine Kuh, und selbst eine französischsprachige kleine Zicke wie besagte Mirabeau war nichts gegen Joan MacKimmie, die jahrelang das Vieh auf die Hochweiden und zurückgetrieben hatte und die Kühe ihrer Mutter im Stall am Haus mit süßem Heu und Essensresten gefüttert hatte.
    Mit diesem Gedanken umkreiste sie Mirabeau nachdenklich und betrachtete ihre beständig mahlenden Kiefer und den langen, schwarz-grünen Speichelfaden, der ihr von den entspannten rosa Lippen hing. Sie nickte, schlüpfte aus dem Stall und ging ein Stück den Weg entlang, wobei sie pflückte, was sie finden konnte. Angesichts ihres Sträußchens aus frischen Gräsern, kleinen Gänseblümchen und – oh, größte Delikatesse! – frischem Sauerampfer gingen Mirabeau fast die Augen über. Sie öffnete ihr Riesenmaul und saugte das süße Grün in sich hinein. Der ominöse Schwanz hörte auf zu schlagen, und das Tier stand da wie versteinert, abgesehen von seinen ekstatisch kauenden Kiefern.
    Joan seufzte zufrieden, setzte sich, legte Mirabeau die Hand auf die Flanke und machte sich an die Arbeit. Ihre Gedanken waren wieder frei, sich mit der nächsten Sorge des Tages zu befassen.
    Hatte Michael mit seinem Freund Pépin gesprochen? Und wenn ja, hatte er ihm erzählt, was sie gesagt hatte, oder ihn nur auf den Grafen St. Germain angesprochen?
    Bis dahin war sie in ihren

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