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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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von der aufgestauten Anspannung der langen Reise verschaffen, ohne dass irgendjemand ein Wort darüber verlor oder auch nur darauf achtete. Er nicht.
    Seine Hand war tiefer gesunken, während er das Schwinden des Lichts beobachtete, und knetete gedankenverloren seine Haut. In London gab es Häuser für Männer wie ihn, doch es war Jahre her, dass er auf ein solches Haus hatte zurückgreifen müssen.
    Einen Geliebten hatte er an den Tod verloren, einen anderen durch Verrat. Der dritte … Er presste die Lippen aufeinander. Konnte man einen Mann als Geliebten bezeichnen, der einen niemals berühren würde – den der bloße Gedanke einer solchen Berührung anwiderte? Nein. Doch wie bezeichnete er einen Mann, dessen Gedanken die seinen berührten, dessen schwierige Freundschaft ein Geschenk war, dessen Charakter, dessen bloße Existenz ihm half, sich selbst zu definieren?
    Nicht zum ersten Mal – und gewiss nicht zum letzten – wünschte er, James Fraser wäre tot. Doch es war ein gedankenloser Wunsch, den er augenblicklich wieder vergaß. Die Farbe des Dschungels war zu Asche verblasst, und die ersten Insekten summten ihm an den Ohren vorüber.
    Er ging hinein und begann, die Gaze auf seinem Bett auseinanderzufalten, bis Tom hereinkam, ihm das Moskitonetz und dessen Aufbau abnahm und ihn dann für die Nacht fertig machte.
    ER KONNTE NICHT SCHLAFEN. Ob es die schwere Mahlzeit war, der fremde Ort oder einfach nur die Sorge, die sein neuer und bis jetzt undefinierter Aufgabenbereich mit sich brachte: Seine Gedanken weigerten sich, zur Ruhe zu kommen, und sein Körper folgte ihrem Beispiel. Doch er verschwendete keine Zeit damit, sich sinnlos hin und her zu wälzen; er hatte mehrere Bücher dabei. Ein paar Seiten von Tom Jones, Die Geschichte eines Findlings, zu lesen, würde ihn ablenken, bis sich der Schlaf über ihn stahl.
    Die offene Glastür war von einem Musselinvorhang verdeckt, doch der Mond war fast voll, und es war hell genug, um seine Utensilien zum Feuermachen und einen Kerzenhalter zu finden. Die Kerze war aus gutem Bienenwachs, und die Flamme brannte klar und hell – und zog augenblicklich eine Wolke vorwitziger Mücken, Moskitos und kleiner Motten an. Er nahm den Kerzenhalter hoch, um ihn mit ins Bett zu nehmen, doch dann überlegte er es sich anders.
    War es besser, von Moskitos gefressen zu werden oder in Flammen aufzugehen? Grey dachte ganze drei Sekunden darüber nach, dann stellte er die brennende Kerze wieder auf den Schreibtisch. Das Gazenetz würde sofort lichterloh brennen, wenn die Kerze im Bett umstürzte.
    Dennoch, er musste es ja nicht riskieren, an Blutverlust zu sterben oder mit juckenden Stichen übersät zu werden, nur weil sein Leibdiener den Geruch von Bärenschmalz nicht mochte. Er würde sich das Schmalz schließlich nicht in die Kleider reiben.
    Er befreite sich aus seinem Nachthemd und kniete sich vor seinen Schrankkoffer. Er sah sich zwar schuldbewusst um, doch Tom war irgendwo in den Dachkammern oder den Nebengebäuden des King’s House einquartiert und schlief mit Sicherheit tief und fest. Tom hatte sehr unter der Seekrankheit gelitten, und die Reise war hart für ihn gewesen.
    Der zerbeulten Dose mit dem Bärenschmalz hatte die Hitze der westindischen Inseln allerdings auch nicht gut getan; das ranzige Fett übertönte den Duft der Pfefferminze und der anderen Kräuter, mit denen es vermischt war, nahezu vollständig. Dennoch, so dachte er, wenn es ihn schon anwiderte, wie viel mehr dann einen Moskito? Und er rieb sich sämtliche Körperstellen, die er erreichen konnte, damit ein. Trotz des Gestanks fand er es nicht unangenehm. Der eigentliche Duft war immerhin noch stark genug, um ihn daran zu erinnern, wie er das Fett in Kanada benutzt hatte. Genug, um ihn an Manoke zu erinnern, der es ihm geschenkt hatte. Ihn an einem kühlen blauen Abend auf einer verlassenen, sandigen Insel im St.-Lorenz-Strom damit eingerieben hatte …
    Da er fertig war, stellte er die Dose beiseite und berührte sein schwellendes Glied. Er ging nicht davon aus, dass er Manoke je wiedersehen würde. Doch er erinnerte sich an ihn. Lebhaft.
    Kurz darauf lag er keuchend auf dem Bett unter dem Netz, und sein Herz hämmerte langsam als Kontrapunkt zu seinem vibrierenden Körper. Er öffnete die Augen und fühlte sich angenehm entspannt; sein Kopf war endlich klar. Es war stickig im Zimmer; die Dienstboten hatten natürlich die Glastüren geschlossen, um die gefährliche Nachtluft fernzuhalten, und ein

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