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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Füßen gab der Kies nach. Er hörte Geflüster von seinen Bewachern, doch niemand schlug ihm etwas anderes vor.
    Von dem Überhang floss Wasser, jedoch nicht wie sonst bei einem Wasserfall, sondern in Form schmaler Rinnsale, die wie gezackte Zähne aussahen. Die Wachtposten hatten ihre Fackeln am Rand der Quelle in den Boden gesteckt; die Flammen tanzten wie Regenbögen im Sprühregen des fallenden Wassers, als er unter dem Überhang hindurchschritt.
    Die heiße, feuchte Luft drückte auf seine Lunge, und das Atmen fiel ihm schwer. Nach wenigen Sekunden spürte er keinen Unterschied mehr zwischen seiner Haut und der feuchten Luft, die er durchschritt; es war, als sei er mit der Dunkelheit der Höhle verschmolzen.
    Und es war dunkel. Vollkommen. Hinter ihm schimmerte es schwach, doch vor sich konnte er nicht das Geringste sehen, so dass er gezwungen war, sich vorzutasten, indem er eine Hand an die raue Felswand legte. Das Geräusch des fallenden Wassers wurde schwächer und wich dem schweren Schlagen seines Herzens, das gegen den Druck auf seiner Brust ankämpfte. Einmal blieb er stehen und presste die Finger gegen seine Augenlider, froh über die bunten Muster, die dort erschienen: Er war also nicht blind. Doch als er die Augen wieder öffnete, herrschte nach wie vor vollkommene Dunkelheit.
    Er hatte das Gefühl, dass sich die Höhle verjüngte – er konnte auf beiden Seiten die Wände berühren, wenn er die Arme ausstreckte –, und erlebte einen alptraumhaften Moment, in dem er zu spüren glaubte, wie sie auf ihn zudrängten. Er zwang sich zu atmen, ein tiefes, heftiges Aufkeuchen, und verdrängte das Trugbild.
    »Bleibt, wo Ihr seid.« Die Stimme war ein Flüstern. Er blieb stehen.
    Es herrschte Stille, die lange anzudauern schien.
    »Kommt weiter«, sagte das Flüstern, das plötzlich direkt neben ihm zu sein schien. »Direkt vor Euch ist Land.«
    Er tastete sich schlurfend vor, spürte, wie der Höhlenboden unter ihm anstieg, und trat vorsichtig auf nackten Fels. Ging langsam weiter, bis ihn die Stimme erneut anhalten ließ.
    Stille. Er glaubte, Atemgeräusche auszumachen, war sich aber nicht sicher; das Geräusch des Wassers war in der Ferne immer noch schwach zu hören. Also schön , dachte er. Dann also weiter.
    Eigentlich war es keine Aufforderung gewesen, doch was ihm in den Sinn kam, waren Mrs. Abernathys durchdringende grüne Augen, die ihn ansahen, als sie sagte: »Ich sehe eine gewaltige Schlange auf Euren Schultern liegen, Oberst.«
    Er erschauerte krampfhaft, als er begriff, dass er ein Gewicht auf seinen Schultern spürte. Kein starres Gewicht, sondern etwas Lebendiges. Es bewegte sich kaum merklich.
    »Himmel«, flüsterte er und glaubte, irgendwo in der Höhle leises Lachen zu hören. Er richtete sich auf und verdrängte das Bild aus seinem Kopf, denn das konnte ja nur Einbildung sein, beflügelt durch den Rum. Und da, das Trugbild der grünen Augen verschwand – doch das Gewicht lastete immer noch auf ihm, obwohl er nicht sagen konnte, ob es auf seinen Schultern ruhte oder seiner Seele.
    »So so«, sagte die leise Stimme, die überrascht klang. »Der Loa ist schon hier. Die Schlangen mögen Euch wirklich, Buckra .«
    »Und wenn es so ist?«, fragte er. Sein Tonfall war normal; die Worte hallten ringsum von den Wänden wider.
    Die Stimme gluckste kurz, und er spürte die Bewegung in seiner Nähe mehr, als dass er sie hörte, ausholende Gliedmaßen und ein leiser Plumps, als etwas neben seinem rechten Fuß auf den Boden fiel. Sein Kopf fühlte sich immens an, dröhnte vom Rum, und Hitzewellen durchpulsten ihn, obwohl es in der Tiefe der Höhle kühl war.
    »Schaut, ob Euch diese Schlange auch mag, Buckra «, sagte die Stimme einladend. »Hebt sie auf.«
    Er konnte nichts sehen, bewegte aber langsam den Fuß und tastete sich auf dem Lehmboden vor. Seine Zehen berührten etwas, und er hielt abrupt inne. Was auch immer er berührt hatte, bewegte sich abrupt und wich vor ihm zurück. Dann spürte er das sanfte Zucken einer Schlangenzunge auf seiner Haut, die ihn prüfend kostete.
    Seltsamerweise beruhigte ihn dieses Gefühl. Dies war zwar nicht seine Freundin, die kleine gelbe Natter – aber soweit er es sagen konnte, war es eine ähnlich große Schlange. Nichts Furchterregendes.
    »Hebt sie auf«, lud ihn die Stimme ein. »Der Krait wird uns sagen, ob Ihr die Wahrheit sprecht.«
    »Ach ja?«, sagte Grey trocken. »Wie denn?«
    Die Stimme lachte, und er glaubte, noch zwei oder drei weitere

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