Zeit der Teufel
Jahren auf den Stühlen an den Wänden aufgereiht, mehr oder weniger frustriert in den Zeitschriften blätternd, die sie vom Tisch abgegriffen hatten. Eine weiterführende Tür mit der Aufschrift »Büro – Eintritt nur nach Aufforderung« und daneben eine Art Schiebefenster mit Milchglas, wohl der Empfangsschalterersatz.
Wirklich, die Firma gefiel Zamorra – überhaupt nicht!
Hier eine brauchbare Sekretärin zu finden? Es war wohl ein Fehler gewesen, hierher zu kommen. Kurz musterte er die Anwesenden, die sämtliche Stühle besetzten; zwei junge Burschen, Latinos, wie es schien, hockten einfach auf dem Boden.
Zamorra fragte sich, ob das alles Leute waren, die Personal suchten wie er – oder ob sie einen Job brauchten. Die Agentur schien das alles wohl nicht so recht bearbeiten zu können.
Und dann sah Zamorra diese Augen.
Braun, und in den Pupillen winzige goldene Tüpfelchen, die plötzlich ihre Größe veränderten, als sein Blick sich mit ihrem kreuzte. Er sah es wie durch eine Lupe. Es schien nichts anderes mehr zu geben als diese Augen. Die ist es , durchzuckte es ihn.
Nicole Duval sah angesichts des überfüllten Warteraums keine großen Chancen für sich. Morgen würde sie es bei einer anderen Agentur versuchen, und übermorgen bei einer dritten, und so weiter … Irgendwer würde schon einen Job für sie haben. Schade nur um die Zeit, die sie hier verpulverte. Aber immerhin bestand ja die vage Möglichkeit, dass jemand genau die Arbeit anbot, die sie suchte. Und sie wollte sich später nicht vorwerfen, eine Chance verpasst zu haben.
Sie hatte sich recht dezent gekleidet. Weiße Bluse, dunkler knielanger Rock, wadenhohe Stiefel. Das war natürlich nicht die wirkliche Nicole. Aber der Zweck heiligte die Mittel, und so kleidete sie sich heute zwar einigermaßen modisch, aber recht brav. Und sie fragte sich, ob das verrückte Wildpferd April tatsächlich mit diesem durchsichtigen Fummel zur Agentur gegangen wäre.
Wahrscheinlich nicht; so verrückt konnte auch April Hedgeson nicht sein. Und es gab genug Fälle, wo die Agenturen Bewerber zurückgewiesen hatten, weil sie nicht den »normalen gesellschaftlichen Erwartungen« entsprachen. Nur, wer definierte, was normal war? Wer durfte sich anmaßen, ein solches Urteil zu fällen?
Nicole wartete darauf, dass sie aufgerufen wurde, um sich als Jobsuchende in das Register eintragen zu lassen. Dabei wusste sie nicht einmal hundertprozentig genau, was sie eigentlich arbeiten wollte. Hauptsache, es brachte Geld. Der Himmel wusste, wie nötig sie es hatte! Heute vormittag war sie wieder bei der Bank gewesen und hatte ihren Kontostand überprüft; der Dispo war bis auf eine Handvoll Dollar ausgeschöpft. Das Beste wäre natürlich eine Assistentenstelle an der Uni. Aber wenn da etwas frei wäre, hätte sie es längst gewusst.
Zum Zeitvertreib hatte sie sich etwas Arbeit mitgebracht. Auf das Lesen der zerfledderten Zeitungen konnte sie verzichten, die waren ohnehin teilweise mehrere Wochen alt, und an Klatschgeschichten über Prominente oder an Wirtschafts- und Börsenberichten war Nicole wenig interessiert. Also schrieb sie an einer Seminararbeit, die sie gleich zu Beginn des neuen Semesters vorlegen wollte; sie hatte sich bereits mit dem Dozenten darüber abgesprochen und geeinigt.
Inmitten dieser Menschenmenge im Warteraum fiel es ihr nicht gerade leicht, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Die Klimaanlage wollte nicht so recht funktionieren, und es stank nach Leuten, die Deosprays mit Duschwasser verwechselten. Irgendwie fühlte Nicole sich fehl am Platz. Sie fragte sich, ob sie nicht zu einer anderen Agentur hätte gehen sollen. Aber jetzt saß sie hier, hatte schon zwei Stunden durch Warten verloren – jetzt wollte sie es auch bis zum Ende durchziehen. Und vielleicht klappte es ja. Gut fand sie, dass die Vermittlungsprovision komplett vom Arbeitgeber bezahlt werden musste, die Sache für sie selbst also kostenfrei war.
Wieder einmal wurde die Tür geöffnet.
Der nächste Arbeitslose , dachte sie. Kaum jemand kam hier herein, um Arbeit anzubieten; das spielte sich wohl auf einer anderen Ebene ab. Wer diesen Raum betrat, hatte keinen Job zu vergeben, sondern suchte ihn.
Eigentlich hatte Nicole den Neuankömmling nicht weiter beachten wollen. Ein Mann unter vielen, in Jeans und Lederjacke, mit dunkelblondem Haar und grauen Augen. Von ihm ging etwas Dominierendes aus. Dann kreuzten sich ihre Blicke. Für einen Moment nur, aber …
Der
Weitere Kostenlose Bücher