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Zeit der Teufel

Zeit der Teufel

Titel: Zeit der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lamont
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wilde Sache. Eigentlich viel mehr als ein Hippie-Happening im landläufigen Sinn. Das Woodstock Musk and Arts Fair , August '69 bei Bethel, ganz in der Nähe dieser Riesenstadt auf einem Farmgelände. Etwa drei Toiletten für etwa 500.000 Menschen. Die Veranstalter haben den Andrang völlig unterschätzt. Trotzdem hatten wir alle einen Wahnsinns-Spaß. Am zweiten Tag dann der Regen, der das ganze Gelände in einen einzigen großen Morast verwandelte; wir haben wilde Schlammschlachten geführt. Drei Tage voller Liebe und Musik. Ein einziges Chaos, aber unvergesslich und unwiederholbar. Viele wussten nicht mal, wer da auf der Bühne stand. Die sind einfach nur gekommen, um Spaß zu haben, campierten in Zelten und Wohnwagen oder in ihren Autos, oder unter freiem Himmel. Wir haben hinterher gestunken wie die nassen Füchse, weil es natürlich nicht genügend sanitäre Einrichtungen gab. Als es regnete, haben wir uns ausgezogen und unter freiem Himmel die Naturdusche genossen … und kurz, darauf waren wir vom Schlamm schon wieder eingesaut. Ich bin nicht bis vorn zur Bühne durchgekommen, ich weiß wohl, dass Jimi Hendrix auftrat, und Bands wie The Who, Jefferson Airplane, Crosby Stills Nash & Young und The Grateful Dead, und noch viele andere mehr, aber wer wann spielte – manchmal kam nicht mal die Musik richtig bei uns draußen am Rand des Geländes an. Aber es war trotzdem herrlich. Ich möchte es keine Sekunde lang missen. Es ist schade, dass es so etwas nie wieder geben wird. Ein paar Jahre später habe ich mir den Film angesehen, der über dieses Rockfestival gedreht wurde. Er fängt die Stimmung wunderbar ein, aber es ist trotzdem nichts dagegen, selbst dabei gewesen zu sein.«
    Duval lauschte seinem Schwärmen. Sie konnte sich trotzdem einen Hochschulprofessor nicht so richtig als Schlammwühler vorstellen, der sich laute Rockmusik um die Ohren dröhnen ließ. Allerdings hatte sie auch noch keinen Professor gesehen, der eine Lederjacke trug. Diese Gattung Mensch kannte sie nur im Anzug mit Krawatte.
    Er zog ein Etui aus der Jackentasche, öffnete es und nahm eine Pfeife und eine Tabakdose heraus. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    »Kommt darauf an, was es für ein Kraut ist«, sagte sie. »Falls Sie Pferdehaare verbrennen wollen …«
    Er lachte wieder und schob ihr die Dose hin. »Schnuppern Sie mal.«
    »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, weshalb Sie ausgerechnet mich ausgewählt haben«, brachte sie das Gespräch auf den Ausgangspunkt zurück. »Doch hoffentlich nicht wirklich meiner Augen wegen.«
    »Sie waren die einzige Person im Raum, die auf irgendeine Weise produktiv tätig war«, sagte er. »Sie schrieben in Ihren Ringhefter. Das sagte mir erstens, dass Sie nicht gewillt sind, Zeit unnütz zu verschwenden, und zweitens, dass Sie des Schreibens kundig sind.«
    »Das sollte ja wohl selbstverständlich sein.«
    »Nicht unbedingt«, sagte Zamorra und begann die Pfeife zu stopfen. »Es gibt mehr Analphabeten, als man meint. Und es gibt mehr Leute, deren Texte von Fehlern nur so strotzen, als man meint. Vielleicht haben Sie schon mitbekommen, dass es an manchen Hochschulen erwogen wird, Rechtschreibkurse für Examenskandidaten einzuführen, weil wir Professoren mittlerweile fast mehr Zeit darauf verwenden, uns in studentischen Arbeiten durch die Fehlerschwemme zu kämpfen, als uns verbleibt, fachliche Qualitäten zu begutachten.«
    »Das kann doch nicht wahr sein!«, entfuhr es Nicole.
    »Es ist traurig, aber leider wahr. Da Sie aber die Zeit zum Schreiben nutzten, gehe ich davon aus, dass Sie die Rechtschreibung beherrschen. Wer fehlerhaft schreibt, schreibt nicht gern.«
    »Sie können sich gern von meiner hehren Schreibkunst überzeugen«, sagte Nicole.
    Zamorra winkte ab. »Können Sie organisieren? Anrufe tätigen, Leute dummschwätzen, Mietwagen und Hotelzimmer bestellen, glaubwürdige Ausreden erfinden, meinen Terminkalender so führen, dass es nicht zu Terminüberschneidungen kommt und zuweilen auch eine kleine Mittagspause eingelegt werden kann? Und können Sie einem Dekan begreiflich machen, dass ich gerade auf dem städtischen Friedhof verweile wegen der Beisetzung meiner Schwiegermutter, wenn ich gerade mal keine Lust habe, in seinem Büro anzutanzen?«
    »Schwiegermutter? Sie sind verheiratet? Ich sehe aber keinen Ring …«
    »Ich bin Junggeselle«, gestand Zamorra. »Und ich gedenke das auch noch ein paar Jahrtausende zu bleiben. Ich warte auf Ihre Antwort.«
    »Geduld ist nicht gerade

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