Zeit der Teufel
Cadillac. Mittlerweile hatte vor ihm ein anderer Wagen ausgeparkt, so dass er nicht lange rangieren musste. Duval zog das Naschen kraus und schnupperte, sog den Duft des schwarzen Leders ein, mit dem die Sitze bezogen waren. Dann drückte sie auf den Schalter für die Fensterheber und ließ die Scheibe nach unten surren.
Zamorra schloss das Fenster wieder. »Die Klimaanlage ist besser als die Frischluft von draußen«, sagte er. »Außerdem besteht bei offenem Fenster die Gefahr, dass mal eben eine fremde Hand herein greift … und das mag ich gar nicht.«
Der Wagen schien lautlos durch die Straßen zu schweben.
»Ich glaube, ich werde auch Professor«, sagte Duval. »Dann kaufe ich mir auch so ein Schlachtschiff. Was lehren Sie eigentlich?«
»Parapsychologie.«
»Ach du Sch …«, platzte sie heraus und hielt sich dann schnell die Hand vor den Mund. »Ach wie schön, wollte ich sagen. Das ist doch diese Sache mit Poltergeistern und Leuten, die mit dem Kopf unterm Arm herumspuken, und Wahrsagerei und ähnlicher …«
»Und ähnlicher Quatsch, sagen Sie es ruhig. Es stört mich nicht. Sehr viele Menschen glauben nicht an diese Erscheinungen. Aber es gibt sie, und daher sollten wir uns mit ihnen befassen und sie erforschen. Den Weltraum gibt es auch und er wird erforscht, obgleich er für uns ebenso ungreifbar ist wie so genannte Gespenster.«
»Der Weltraum ist greifbar! Wir sind auf dem Mond gewesen, und …«
»Ja«, sagte Zamorra. »Eine Handvoll Leute. Aber nicht die breite Masse. Nicht Sie und nicht ich, und auch nicht John Doe oder Iwan Iwanowitsch. Für uns bleibt er unerreichbar. Da sind PSI-Erscheinungen doch wesentlich greifbarer. Die spielen sich hier um uns alle herum ab, oft genug, ohne dass es uns bewusst wird. – Was studieren Sie?«
»Psychologie, Amerikanistik, Soziologie, Geschichte.«
»Geschichte.« Er lächelte. »Mein ältester und bester Freund, Bill Fleming, ist Historiker. Er hat bisweilen recht eigenwillige Ansichten über die Entwicklung der Menschheit. Sie sollten ihn kennen lernen. Oder besser nicht; vermutlich würde er prompt versuchen, Sie mir abzuwerben.«
»Noch kann er das nicht. Wir haben noch keinen Vertrag gemacht.«
»Kommt noch, Mademoiselle Duval. Alles zu seiner Zeit.«
Etwa eine Viertelstunde später parkte Zamorra den Cadillac auf dem Hinterhof des kleinen chinesischen Restaurants. »Hier steht er sicherer als draußen auf der Straße.«
Misstrauisch beäugte Duval einen zotteligen Hund, der zwischen großen Abfallkübeln lag, den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt. »Ich hoffe, den finde ich nicht gleich auf meinem Teller wieder.«
»Keine Sorge, der ist hier der Parkplatzwächter.«
Später, als die leeren Teller abgeräumt waren und Zamorra zwei Schalen Reiswein geordert hatte, beugte Duval sich vor. »Warum ich?«, fragte sie.
»Wie meinen Sie das?«
»Warum wollen Sie ausgerechnet mich als Sekretärin? Sie kennen mich überhaupt nicht. Sie wissen nicht, ob ich Ihren Anforderungen entsprechen kann. Trotzdem haben Sie mich da regelrecht abgefischt.«
»Ihre Augen, Mademoiselle«, lächelte Zamorra. »Sie sind faszinierend.«
»He! Professor! Wollen Sie mit mir flirten oder mir einen Job anbieten? Im ersten Fall können wir das Gespräch sofort beenden, und ich zahle meine Rechnung selbst. An Sex am Arbeitsplatz bin ich nicht interessiert.«
»Immer langsam mit den jungen Pferden«, dämpfte Zamorra. »Wir werden beide genug Arbeit haben, dass für Sex am Arbeitsplatz nicht mal Zeit bliebe, wenn wir beide es wollten. Ich zumindest will es nicht. Es macht alles nur so furchtbar kompliziert. Da reiße ich lieber in einer Disco eine Schnalle auf, es gibt einen one-night-stand , und das war's dann.«
»Für einen Professor reden Sie erstaunlich … volkstümlich. Sie scheinen nicht so verstaubt zu sein, wie man es von Talarträgern erwartet.«
Er grinste. »Ich bin einer von den wilden '68ern«, sagte er.
»Dafür sind Sie nicht jung genug. Das ist gerade mal fünf Jahre her.«
»Alter schützt vor Erkenntnisfähigkeit nicht«, spöttelte er. »Ich war da um die dreißig. Also einer von denen, welchen man nicht mehr trauen sollte. Aber ich habe mich unter diesen Leuten immer wohl gefühlt. Können Sie sich vorstellen, dass ich 1969 beim Woodstock-Festival mit dabei war?«
»Fällt mir schwer. Allerdings weiß ich auch nicht viel darüber. Diese wilden Hippie-Happenings sind nicht so meine Welt.«
Er lachte leise. »Das war eine ganz tolle,
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