Zeit der Teufel
keine Erklärung dafür. Wie können Tote leben, wie können Geister aus dem Jenseits zurückkehren und hier herumtoben? Das gibt es alles nicht. Wie soll es denn funktionieren?«
»Das herauszufinden, ist eine der Aufgaben der Parapsychologie«, sagte Zamorra gelassen. Er wurde nicht zum ersten Mal mit diesen Protesten konfrontiert. Aber er wusste, dass es Dinge gab, die sich nicht mit normaler Logik erklären ließen, und auch nicht mit den Naturgesetzen. Hier kamen Dinge ins Spiel, die man akzeptieren musste, aber nicht unbedingt ergründen konnte. Das war eines der Probleme, mit denen die Parapsychologie ständig zu kämpfen hatte; sie galt nicht als »exakte Wissenschaft«, weil ihre Experimente in den seltensten Fällen nachvollziehbar waren und ihre Forschungsergebnisse mit naturwissenschaftlichen Mitteln sich nicht beweisen ließen. Deshalb nahmen selbst Psychologen diesen Zweig nicht unbedingt ernst. Aber Zamorra ahnte, dass sich das bald ändern würde. Vielleicht musste er dafür sogar der Welle von Horror- und Gruselfilmen danken, die die Kinos überschwemmten, aber auch den Gurus und Sektierern, die mit okkulten Mitteln versuchten, Anhänger um sich zu scharen und sie regelrecht zu verdummen. Immer öfter gab es Pressemitteilungen über diese Dinge, auch über seltsame, unerklärliche Phänomene, und daher würden auch immer mehr Menschen mit ihren Erlebnissen an die Öffentlichkeit treten. Und um so ernster würde man diese Dinge nehmen. Eines Tages würde Parapsychologie nicht nur in dem Ruf stehen, sich mit Scharlatanen und Exorzisten zu befassen, sondern mit ernsthaften Versuchen, Phänomene aufzuklären.
Gerade bei seiner Tibet-Reise hatte Zamorra selbst einige erstaunliche Dinge erlebt und gesehen, die noch über die Fantasie einschlägiger Autoren hinaus gingen. Telepathie, Levitation, Telekinese, sogar Teleportation oder Bilokation waren keine Erfindung, sondern er hatte sie selbst erlebt. Und der Mönch, bei dem Zamorra gewissermaßen »in die Schule gegangen« war, hatte ihn nicht nur gelehrt, sich »unsichtbar« zu machen, sondern auch festgestellt, dass Zamorra eine latente telepathische Gabe besaß. Er hatte sich redlich bemüht, diese Gabe zu wecken und zu fördern, aber so recht gelungen war es ihm nicht. Manchmal hatte Zamorra den Eindruck, dass er die Gedanken anderer Menschen lesen konnte, aber das war alles vage und verschwommen und mehr als unzuverlässig. Stattdessen hatte er ein sicheres Gespür für Gefahren entwickelt.
Er fragte sich, wer ihn bedrohte. Und vor allem, warum dieser sich nicht an ihm selbst vergriff, sondern an Menschen aus Zamorras Umfeld. Unschuldige Opfer! Das war einfach Wahnsinn. Welcher kranke Geist steckte dahinter?
Freitag, 12. Juli 2002
»Du hast Recht, Nicole«, sagte Asmodis. »Ich habe nachgedacht. Es gibt da Erinnerungsfetzen. Zwei Zeitlinien überlagern sich. In der falschen habe ich Zamorra damals getötet.«
»Was war damals der Anlass?«, fragte der Parapsychologe. »1973 hatte ich noch keinen Kontakt mit der Schwarzen Familie. Zumindest nach meinem Wissen nicht. Das ging erst los, als ich Château Montagne erbte und das von Feuerdämonen bewachte Amulett fand. Also ein Jahr später. Weshalb sollte also in den Schwefelklüften jemand auf die Idee kommen, mich schon vorher umzubringen? Niemand wusste, dass Merlins Stern im Château an einem geschützten Ort aufbewahrt wurde, und erst recht wusste niemand, ob ausgerechnet ich mit den Feuerdämonen fertig würde. Dass ich ein Auserwählter bin, ahnte doch erst recht niemand.«
»Ich weiß nicht, was damals geschah«, sagte Asmodis. »Die Bilder in mir sind zu schwach. Ich weiß nur, dass ich in der falschen Zeitlinie immer noch Fürst der Finsternis bin. Aber darum kann es nicht gehen. Der Hintergrund muss anders aussehen. Vielleicht kannst du mir helfen, Zamorra.«
»Und wie?«
Der Ex-Teufel beugte sich vor.
»Mach eine Rückführung !«, verlangte er.
»Du bist verrückt!«, entfuhr es dem Professor. »Das kann nicht funktionieren.«
»Und warum nicht? Bei Menschen geht es, warum nicht auch bei mir? Verdammt, Zamorra, ich will genauso wissen wie du, was damals passiert ist. Ich will es ebenso verhindern. Es ist falsch. Auch wenn dein Überleben Hunderte von Dämonen das Leben gekostet hat über all die Jahre – etwas Schwund hat man ja immer … Aber wenn ich mir vorstelle, welche weiteren Folgen dein Tod hätte, graut es selbst mich. So nehme ich das kleinere
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