Zeit der Träume
mir Leid, dass ich ausfallend geworden bin, aber dass ich ihr den Kaffee über das Kostüm geschüttet habe, war ein Unfall. Du weißt, ich würde niemals...«
»Nun, nun.« Er hob die Hände in einer abwehrenden Geste. »Natürlich war es das. Denk am besten gar nicht mehr daran. Vergeben und vergessen. Es geht lediglich darum, dass Pamela eine aktivere Rolle in der Galerie übernehmen möchte, damit wir aus den eingefahrenen Bahnen ausscheren.«
Verzweiflung stieg in Malory auf. »James, sie hat im großen Ausstellungsraum alles umgeräumt und dazwischen Stücke aus dem Salon gestellt. Sie hat einen Goldlaméstoff wie einen Sarong über den Art-Déco-Akt drapiert. Nicht nur, dass die Sachen jetzt nicht mehr zusammenpassen, nein, das Ergebnis ist einfach peinlich. Sie versteht nichts von Kunst und Raum. Sie...«
»Ja, ja.« Sein Tonfall blieb irritierend gleichmütig, genauso wie sein friedlicher Gesichtsausdruck. »Sie wird es schon noch lernen. Und ich glaube, es wird mir Spaß machen, sie zu unterrichten. Mir gefällt ihr Interesse an meinem Geschäft und auch ihr Enthusiasmus. Das habe ich an Ihnen ebenso geschätzt, Malory, aber ich glaube, Sie müssen sich jetzt mal ein wenig in der Welt umschauen und Ihren Horizont erweitern. Gehen Sie Risiken ein!«
Malory schnürte es die Kehle zusammen, und sie stieß gepresst hervor: »Ich liebe die Galerie, James.«
»Das weiß ich doch.« Er lächelte so süß, dass Malory ihn am liebsten gewürgt hätte, bis ihm die Augen aus den Höhlen traten. »Und Sie sind hier immer willkommen. Ich finde, es ist an der Zeit, Sie aus dem Nest zu schubsen. Aber natürlich möchte ich, dass Sie sich in aller Ruhe überlegen können, was Sie als Nächstes tun wollen.« Er zog einen Scheck aus seiner Brusttasche. »Ein Monatsgehalt hilft Ihnen sicherlich dabei.«
Was soll ich nur tun? Wo soll ich hingehen? Panik stieg in Malory auf. »Ich habe bisher noch nie irgendwo anders gearbeitet.«
»Sehen Sie.« Lächelnd legte James den Scheck auf den Schreibtisch. »Ich hoffe, Sie wissen, wie gerne ich Sie mag. Sie können jederzeit zu mir kommen und mich um Rat fragen. Allerdings sollte das besser unter uns bleiben. Pamela ist zurzeit ein wenig verärgert über Sie.«
Er tätschelte ihr väterlich die Wange, dann ging er.
Er mochte geduldig und friedfertig sein, aber er war gleichzeitig schwach. Schwach und selbstsüchtig, sonst hätte er eine so effiziente, kreative und loyale Angestellte nicht wegen einer Laune seiner Frau herausgeworfen.
Malory wusste, dass es nichts nützte zu weinen, aber als sie in dem kleinen Büro stand, das sie selber eingerichtet und mit persönlichen Gegenständen ausgestattet hatte, musste sie doch ein bisschen weinen. Beruflich gesehen passte ihr ganzes Leben in einen einzigen Umzugskarton.
Das war zwar ebenfalls effizient und praktisch, aber eigentlich auch jämmerlich, dachte Malory.
Alles würde sich abrupt ändern, und dazu war sie noch nicht bereit. Für das, was jetzt kam, hatte sie keinen Plan, keinen Entwurf, keine Liste. Morgen früh würde sie nicht wie gewohnt aufstehen, ein vernünftiges, leichtes Frühstück zu sich nehmen und sich das anziehen, was sie am Abend zuvor herausgelegt hatte.
Tage ohne Ziel und ohne Plan erstreckten sich wie eine bodenlose Schlucht vor ihr. Die kostbare Ordnung ihres Lebens gab es nicht mehr.
Es erschreckte sie, aber die Furcht war auch mit Stolz vermischt. Also erneuerte sie ihr Make-up, reckte das Kinn, straffte die Schultern und trug die Kiste die Treppe herunter. Als Tod Grist angelaufen kam, rang sie sich ein Lächeln ab.
Er war klein, dünn und wie üblich in ein schwarzes T-Shirt und Hose gekleidet. Zwei winzige Goldringe glitzerten in seinem linken Ohrläppchen. Seine blond gesträhnten Haare waren schulterlang - Malory beneidete ihn darum. Sie umrahmten das Gesicht eines Engels, das ältere und alte Damen anzog wie Seeleute der Gesang der Sirenen.
Er hatte ein Jahr später als Malory in der Galerie angefangen und war stets ihr Freund und Vertrauter gewesen.
»Geh nicht. Wir bringen das Flittchen um. Ein bisschen Arsen in ihre Morgenmilch, und sie ist Geschichte.« Er griff nach dem Umzugskarton. »Mal, Liebe meines Lebens, du kannst mich doch hier nicht alleine lassen.«
»Ich bin gekündigt. Ein Monatsgehalt, ein Wangentätscheln und ein paar gute Ratschläge.« Sie kämpfte gegen die Tränen an, die ihr den Blick verschleierten, als sie sich in der weiträumigen Empfangshalle mit dem
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