Zeit der Träume
Vogelgezwitscher in ihr Zimmer zu lassen.
Das seltsame Gefühl ließ bereits nach - wie es auch ein Traum beim Erwachen tut -, als sie die Treppe hinunterlief, eine Hand auf dem seidenglatten Holzgeländer. Bunte Lichter, die durch das Fenster über der Tür drangen, spielten auf dem Fußboden. Auf den Tischchen in der Diele standen in antiken Vasen weiße Orchideen.
Daneben lagen seine Schlüssel in der kleinen Mosaikschale, die sie eigens zu diesem Zweck gekauft hatte.
Sie grinste, als sie in die Küche trat. Er stand am Herd und schob gerade French Toast in den Backofen. Neben ihm stand ein Tablett mit einem Glas Saft, einer einzelnen Rose in einer kleinen Vase und ihrer hübschen Kaffeetasse.
Die Hintertür war offen. Auch hier drang das Zwitschern der Vögel hinein, und ab und zu bellte der Hund fröhlich. Glücklich tappte sie auf ihn zu, schlang von hinten die Arme um seine Taille und gab ihm einen Kuss auf den Nacken.
»Pass auf. Meine Frau könnte jeden Augenblick aufwachen.«
»Lassen wir es darauf ankommen.«
Er drehte sich um und küsste sie leidenschaftlich. Ihr Herz machte einen Satz, ihr Blut rauschte, und sie dachte: Perfekt. Alles ist so perfekt.
»Ich wollte dich überraschen.« Flynn streichelte ihr den Rücken. »Mit Frühstück im Bett. Hennessy Spezial.«
»Du kannst die Überraschung noch größer machen, wenn du mit mir zusammen im Bett frühstückst.«
»Dazu könnte ich mich möglicherweise überreden lassen. Warte mal.« Er nahm einen Spatel und drehte das Brot um.
»Mmm. Es ist schon nach acht. Du hättest mich nicht so lange schlafen lassen sollen.«
»Ich habe dich schon letzte Nacht nicht viel schlafen lassen.« Er zwinkerte ihr zu. »Und da war es doch nur fair, dass du heute mal ausschlafen konntest. Du hast so hart für deine Ausstellung gearbeitet, Mal.«
»Ich bin fast fertig.«
»Wenn alles vorbei ist, lade ich meine unglaublich schöne, talentierte Frau zu einem wohlverdienten Urlaub ein. Erinnerst du dich noch an die Woche, die wir in Florenz verbracht haben?«
Sonnendurchtränkte Tage, Nächte voller Liebe. »Wie könnte ich das jemals vergessen? Bist du sicher, dass du dir frei nehmen kannst? Ich bin ja schließlich hier nicht die Einzige, die zu tun hat.«
»Wir nehmen uns die Zeit.« Er legte den French Toast auf einen Teller. »Hol doch bitte die Zeitung, und dann gehen wir noch für eine... oder zwei Stunden ins Bett.«
Verschlafenes Weinen ertönte aus dem Babyfon auf der Theke. Flynn warf einen Blick darauf. »Na ja, vielleicht auch nicht.«
»Ich hole ihn. Wir sehen uns oben.«
Sie eilte hinauf und warf im Vorbeilaufen einen Blick auf die Gemälde, die an der Wand hingen. Die Straßenszene, die sie in Florenz gemalt hatte, die Meerlandschaft, das Porträt von Flynn in seinem Büro am Schreibtisch.
Sie wandte sich zum Kinderzimmer. Auch dort hingen ihre Bilder an den Wänden, die fröhlichen Märchenszenen, die sie die ganze Schwangerschaft über gemalt hatte.
Und im Gitterbettchen lag ihr kleiner Junge und verlangte ungeduldig nach Aufmerksamkeit.
»Ja, mein Süßer. Mama ist ja schon da.« Sie hob ihn hoch und drückte ihn an sich.
Er würde einmal die Haare seines Vaters bekommen, dachte sie, während sie ihn beruhigend wiegte. Sie wurden bereits dunkel, mit diesen kastanienbraunen Lichtern, wenn das Licht darauf fiel.
Er war so perfekt. Absolut perfekt.
Aber als sie ihn zum Wickeltisch trug, gaben auf einmal ihre Beine nach.
Wie hieß er? Wie war der Name ihres Babys? Voller Panik umklammerte sie ihn fester und wirbelte erschreckt herum, als Flynns Stimme von der Schwelle her ertönte.
»Du siehst so wunderschön aus, Malory. Ich liebe dich.«
»Flynn.« Irgendetwas stimmte mit ihren Augen nicht. Ihr war, als könne sie durch ihn hindurchsehen, als ob er sich auflöste. »Irgendetwas ist nicht richtig.«
»Alles ist richtig. Alles ist perfekt in Ordnung. Genauso, wie du es immer haben wolltest.«
»Es ist nicht real, nicht wahr?« Tränen traten ihr in die Augen. »Es ist nicht real.«
»Das könnte es aber sein.«
Ein Blitz zuckte, und sie stand in einem lichterfüllten Atelier. An der Wand oder auf Staffeleien hingen Leinwände. Sie hatte einen Pinsel in der Hand und tauchte ihn gerade in die Palette.
»Das habe ich gemalt«, flüsterte sie und starrte auf die Leinwand. Es war ein Wald in milchig grünem Dämmerlicht. Eine einsame Gestalt ging den Weg entlang. Nein, nicht einsam, dachte sie, allein. Am Ende des Pfades wartete das
Weitere Kostenlose Bücher