Zeit der Träume
jetzt nichts«, sagte sie rasch. »Lass mich erst zu Ende reden.«
Sie griff nach dem Wasserglas und trank noch einen Schluck, um ihre Kehle anzufeuchten. »Wenn du dein ganzes Leben lang auf etwas wartest und es dann findest, ist es wie ein Wunder. Alles in dir öffnet sich und beginnt zu leben. Vorher warst du in Ordnung, es ging dir gut. Du hattest ein Ziel und eine Richtung, und alles war okay. Aber jetzt ist es mehr. Du kannst nicht erklären, was es ist, aber du weißt, wenn du es verlierst, kannst du diesen leeren Raum nie wieder auffüllen. Niemals mehr. Das ist eine erschreckende Vorstellung. Ich habe Angst, dass das, was ich empfinde, nur eine Illusion ist. Dass ich morgen aufwache, und es ist nicht mehr. Dass ich nicht mehr so empfinde. Dass ich nicht mehr das empfinde, worauf ich mein ganzes Leben lang gewartet habe.«
Ihre Augen waren jetzt wieder trocken und ihre Hand zitterte nicht, als sie das Wasserglas abstellte. »Ich kann es ertragen, dass du mich nicht wiederliebst, weil ich die Hoffnung haben werde, dass du es eines Tages tust. Aber ich weiß nicht, ob ich es ertragen könnte, dich nicht zu lieben. Es wäre wie... als ob mir innen etwas gestohlen worden wäre. Ich weiß nicht, ob ich wieder so leben könnte wie vorher.«
Er streichelte ihr über die Haare und zog sie so dicht an sich heran, dass ihr Kopf auf seiner Schulter ruhte. »Niemand hat mich je so geliebt, wie du es mir schilderst. Ich weiß nicht, was ich damit machen soll, Malory, aber ich möchte es ganz gewiss nicht verlieren.«
»Ich habe gesehen, wie alles sein könnte, aber es war nicht wahr. Nur ein ganz gewöhnlicher Tag, der so perfekt war wie ein Diamant in meiner Hand. Er ließ es mich sehen und fühlen. Und wollen.«
Er rückte ein wenig von ihr ab und musterte sie. »Der Traum?«
Sie nickte. »Es tat so weh, es loszulassen. Es ist ein harter Preis, Flynn.«
»Kannst du es mir erzählen?«
»Das muss ich wohl. Ich war müde. Ich kam mir vor wie durch die Mangel gedreht. Ich wollte mich einfach nur hinlegen und mich ein wenig von all den Ereignissen ausruhen.«
Sie erzählte ihm alles, wie sie mit einem Gefühl absoluten Wohlbefindens aufgewacht war, wie sie durch ein Haus gegangen war, das voller Licht und Farbe war, und wie er in der Küche das Frühstück vorbereitet hatte.
»Das hätte ein Hinweis für dich sein müssen.« Er lächelte und hoffte, ihr ein wenig die Anspannung nehmen zu können. »Ich und kochen? Das kann nur eine Täuschung sein.«
»Du hast mir French Toast gemacht, mein Lieblingsfrühstück. Wir haben darüber geredet, in Ferien zu fahren, und ich habe mich an alle Orte erinnert, an denen wir bereits waren. Diese Erinnerungen waren in mir. Und dann wachte das Baby auf.«
»Baby?« Er wurde leichenblass. »Wir hatten... da war … ein Baby?«
»Ich ging hoch, um ihn aus dem Bettchen zu holen.«
»Ihn?«
»Ja, ihn. An den Wänden hingen Bilder, die ich gemalt hatte. Sie waren wunderschön, und ich konnte mich daran erinnern, dass ich sie gemalt hatte. Genauso wie die Bilder im Kinderzimmer. Ich hob das Baby aus dem Bett, und ich empfand solche Liebe für es. Ich liebte ihn so absolut, ich war ganz davon erfüllt. Und dann... dann wusste ich seinen Namen nicht. Ich hatte keinen Namen für ihn. Ich spürte ihn in meinen Armen, spürte, wie weich und warm seine Haut war, aber ich wusste seinen Namen nicht. Du kamst an die Tür, und ich konnte durch dich hindurchsehen. Da wusste ich, dass es nicht real war. Nichts war real.«
Sie musste aufstehen und sich bewegen, deshalb trat sie ans Fenster und zog die Vorhänge zurück. »Und gerade, als es anfing, wehzutun, war ich in einem Atelier. In meinem Atelier, umgeben von meinen Werken. Ich konnte die Farbe und das Terpentin riechen. Ich hatte einen Pinsel in der Hand und wusste, wie ich damit umgehen musste. Ich wusste alles, was ich jemals hatte wissen wollen. Es gab mir Kraft, wie das Kind, das ich geboren und in den Armen gehalten hatte. Und doch war alles nicht echt. Und er war da.«
»Wer?«
Sie zog scharf die Luft ein und drehte sich zu Flynn um. »Sein Name ist Kane. Der Seelendieb. Er hat mit mir geredet. Ich könne alles haben, das Leben, die Liebe, das Talent. Es könnte Wirklichkeit werden, wenn ich nur im Traum bliebe. Ich bräuchte es nie aufzugeben. Wir würden einander lieben. Wir hätten einen Sohn. Ich würde malen. Alles wäre perfekt. Wir würden in einem Traum leben, und der Traum wäre real.«
»Hat er dich angefasst?« Er
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