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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Junge war ein härterer Brocken als gedacht. Er hatte genug von seinen irritierenden Reden. Von seiner sturen Hartnäckigkeit.
    – Wie lautete doch diese Liedzeile? „Lottavano cosí come si gioca, i cuccioli del maggio, era normale … Sie kämpften wie im Spiel – die Schoßhunde im Mai …“
    – Ach, Sie kennen sogar De André?
    – Aus Berufsgründen. Jemand, der noch törichter war als Sie, hatte sich in den Kopf gesetzt, dass sich in den Texten De Andrés Aufrufe zur Revolution verbargen …
    – Das hatte ich auch gehört, konnte es aber nicht glauben.
    – Die menschliche Dummheit kennt keine Grenzen.
    Dennoch würde er Guido nicht den Spezialisten ausliefern. Und er würde an seinem jungen Körper auch nicht das Serum ausprobieren, dessen wundersame Wirkung seine Freunde in Tel Aviv so sehr rühmten. Er würde vielmehr andere Karten ausspielen, die vielleicht extremer und gefährlicher waren. Aber er würde sich nie auf das Niveau der anderen begeben. Daria war auf dem Sofa eingeschlafen. Der rosarote Pullover war hinaufgerutscht und offenbarte ein winziges interessantes und genau deshalb erregendes Stück gebräunter Haut. Lupo wandte den Blick ab, und als er sich an den Schreibtisch setzte, versuchte er etwas lauter zu sein als gewöhnlich. Daria bewegte sich, unterdrückte ein Gähnen und wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen. Lupo unterbrach sie mit einem verständnisvollen Lächeln.
    – Der Junge?
    – Verschlossen wie eine Auster. Ich werde mir etwas Wirkungsvolleres einfallen lassen müssen.
    – Du solltest einen Blick auf die Verhörprotokolle werfen, Chef. Unsere Freunde haben sich in Bewegung gesetzt, wie es scheint.
    Lupo las die Akte und nickte.
    – Die Anti-Terror-Einheit. Hier laufen alle Fäden zusammen. Wie du richtig vermutet hattest, meine Liebe, ist der Wechsel Mastinos und der Seinen zur Anti-Terror-Einheit die zweite Ebene. Sie haben Hamid, diesen armen Teufel, geschnappt und ihn gebührend geröstet.
    – Wenn ich mich recht erinnere, hat Mastino schon einmal bei einer Durchsuchung Tritol gefunden …
    – Ja, ungefähr vor einem Jahr … und auch damals hat er einen zufälligen Tipp von der sprichwörtlichen, anonymen Quelle bekommen.
    – Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass Mastino ausgeklügelte innenpolitische und internationale Strategien entwickelt.
    – Absolut nicht. Er ist nur ein Handlanger.
    – Also gibt es hinter ihm eine dritte Ebene …
    – Wie Dantini vermutet hatte.
    – Und was weißt du von dieser dritten Ebene, Chef?
    – Du bist müde, Daria, ruh dich aus.
    Als Lupo sah, wie sich auf Darias Gesicht wieder einmal herbe Enttäuschung abzeichnete, dachte er, dass in gewissen Augenblicken die Geheimnisse schwer auf seinen Schultern lasteten. Es wäre sinnvoll und vielleicht auch gerecht gewesen, ihr zumindest einen Bruchteil der Wahrheit zu offenbaren. Aber da war das Problem des
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, die Verpflichtungen des Schwurs, das große Risiko, dass Informationen durchsickerten. Er spürte jedoch, dass er ihr früher oder später alles sagen würde. Lupo sah das Szenarium undeutlich vor sich. Er sah den Schatten des mächtigen Netzwerks, um das seine Gedanken seit Jahren wie besessen kreisten. Auch Lupo war Teil eines Netzwerks. Eines Netzwerks, das genauso mächtig und verbissen war wie das der Feinde. Es handelte sich schlicht und einfach um konträre Weltbilder. Auf der einen Seite waren die, die unbedingt Krieg wollten, auf der anderen Seite die, die wie Lupo den Krieg hassten. Zu vereinfachend? Es war mehr als ein Schema. Es war ein Naturgesetz. Er dachte an Guido. Ein Opfer wie viele andere, vielleicht ein bisschen weniger unschuldig als andere, aber nach wie vor ein Opfer. Er versteifte sich darauf, das geheimnisvolle blonde Mädchen zu beschützen, die gewiss ein Killer des blutrünstigen Netzwerks war, er gehorchte einer mörderischen Mischung aus Geilheit, Schuldgefühl und Leidenschaft. Mit zusammengebissenen Zähnen musste er zugeben, dass dieser Junge in ihm nicht nur Mitleid und Wut, sondern auch Neid auslöste. Zumindest er konnte sich noch der Illusion hingeben, seines Glückes Schmied zu sein. Er würde ihn nicht ewig festhalten können. Der Augenblick, in dem sich sein Schicksal entschied, kam immer näher. Doch leider war keine der möglichen Alternativen völlig überzeugend.

6.
    Marco ging nicht zu Alissa. Er schnappte sich eine Flasche Bollinger und betrank sich auf einer Bank im großen Park. Alissa schickte ihm zwei SMS,

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