Zeit des Aufbruchs
unglückseligen Besitzes war.«
Arakasi hielt inne, denn dem tsuranischen Aberglauben nach war es undenkbar, die Wohnstätten oder Bediensteten von jenen zu übernehmen, die von der Höhe ihrer Macht gestürzt waren; wenn ein Lord oder eine Familie die Gunst der Götter verloren hatte, galten auch sein Besitz, seine Ländereien und die anderen Mitglieder des Haushaltes als verflucht. Doch Milamber war ein Barbar gewesen und schien solche Gedanken nicht gekannt zu haben. Aber das Unglück hatte auch ihn verfolgt. Arakasi zuckte mit den Achseln in typisch tsuranischer Weise, kaum wahrnehmbar. »Doch während Netohas Herren vom Unglück heimgesucht wurden, scheint er selbst aufzusteigen. Durch eine entfernte Verbindung konnte er seine Verwandtschaft mit den Chichimechas belegen, die zu dieser Zeit Geld benötigten. Man traf eine Vereinbarung. Jetzt steht Netoha von den Chichimechas in der Erbfolge eines kleinen Hauses an vierter Stelle, und er versteht sich gut mit dem Clan Hunzan.«
Mara unterdrückte das Bedürfnis, aufzustehen und auf dem Weg hin und her zu gehen. »Der Clan Hunzan ist sehr radikal eingestellt. Nichts, was er tut, ist eine Überraschung.«
Arakasi rundete seinen Bericht ab. »Darüber hinaus ist nur wenig bekannt, außer daß Netohas Frau eine frühere Sklavin ist.«
Mara wölbte die Augenbrauen, Interesse verdrängte jetzt ihre Sorgen.
Doch die Erklärung des Supais machte jede Hoffnung zunichte. »Milamber befreite alle Sklaven auf seinem Land, bevor er Kelewan verließ«, sagte Arakasi. »Da sein Status zu diesem Zeitpunkt noch nicht angezweifelt wurde, war die Tat Gesetz. Selbst ohne Sklaven hat Netoha den kleinen Besitz vorteilhaft weitergeführt. Bei seinen Fähigkeiten kann man davon ausgehen, daß er weiter aufsteigen wird. Er könnte eines Tages ein mächtiger Herrscher werden.«
Mara wandte sich dem einen Aspekt zu, der jetzt zählte.
»Dann ist er möglicherweise aufgeschlossen gegenüber einer Vereinbarung über die Benutzung des Spalts?«
»Vielleicht.« Arakasis Gesicht blieb weiterhin ausdruckslos. »Da ist noch etwas, Mistress. Ein großer Teil ist mir noch unklar, abgesehen von dem sicheren Gefühl, daß etwas Gewaltiges, Ungewöhnliches im Spiel ist. Die Rückkehr des abtrünnigen Magiers hat viele heimliche Aktivitäten in Gang gesetzt. Unruhe breitet sich in allen kaiserlichen Kreisen aus – hohe Beamte halten sich in langen Konferenzen mit Gelehrten auf, die zu Geheimhaltung verpflichtet sind, und eine Menge geheime Botschaften werden von den persönlichen Boten des Lichts des Himmels hin und her getragen, keine einzige davon schriftlich und alle geschützt durch die Eidesverpflichtung zum Selbstmord, wie der Hofklatsch wissen will. Ich werde alles daransetzen, die Wahrheit herauszufinden, doch da die Versammlung beteiligt ist …« Er zuckte wieder mit den Achseln, eine Andeutung, daß seine Bemühungen möglicherweise nicht von Erfolg gekrönt sein würden.
Mara war zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, das Treiben der Erhabenen interessierte sie in diesem Augenblick weniger. Sie entließ den Supai mit ungewöhnlicher Schroffheit; dann rief sie nach ihrem Schreiber, da sie Briefe an Lord Netoha und an Fumita von der Versammlung aufsetzen wollte, in denen sie ihnen großzügige Angebote für die Benutzung des Spalts nach Midkemia machte.
Nachdem ihre Botschaften von der Gilde der Boten übernommen worden waren, hielt sie nichts mehr in Kentosani. Mara entschied sich für eine rasche Rückkehr nach Hause auf ihren Landsitz, weil sie unangebrachten Treffen mit anderen Clan-Mitgliedern aus dem Weg gehen wollte und außerdem eine plötzliche Sehnsucht danach verspürte, etwas Zeit mit Ayaki zu verbringen. Der Junge wuchs so schnell! Er war schon ein halber Mann, erkannte sie und nahm sich vor, Keyoke einen Krieger auswählen zu lassen, der ihm den Umgang mit den Waffen beibringen sollte. Nur noch ein halbes Jahr, und er würde zehn Jahre alt werden.
Die Rückfahrt auf dem Gagajin verlief ohne Zwischenfälle, und bei der Ankunft an der Grenze ihres eigenen Besitzes legte sich Maras Sorge, als sie etwas von der vertrauten Ruhe spürte, die dem Wissen entsprang, wieder zu Hause zu sein. Und trotzdem, zum ersten Mal in ihrem Leben nagte ein Gefühl an ihr, als ob etwas nicht stimmte. Sie dachte darüber nach, während ihre Träger die Straße zum Herrenhaus entlangschritten.
Der Grund entzog sich ihr bis zu dem Augenblick, da sie ihren Fuß in den Innenhof
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