Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
noch von seinen alten Kontakten im Chemikaliengeschäft profitierte, auch wenn bei Joe Blasco wahrscheinlich keine ehemaligen Sowjetwissenschaftler Hautcreme entwickelten.
»Wie geht’s zu Hause?« Alexej grinste anzüglich.
»Normal«, gab ich kurz angebunden zurück.
»Daher weht also der Wind. Nun ja, in der Welt gibt es Winde genug. Unsere Mutter hat uns zwar gelehrt, die Finnen zu schätzen, aber eine Russin ist und bleibt doch eine echte Frau. Sie kleidet sich gut, richtet sich die Frisur und trägt Parfüm auf. Die hiesigen Weiber gehen in flachen Sandalen und Trainingshosen zum Einkaufen«, schwadronierte Alexej. Er begann seine Irina zu preisen, eine ehemalige Mathematikerin, die im Geschäft aushalf, sich die Haare rot färbte und in jedem Frühjahr neue Joggingschuhe kaufte, um sich dann zu wundern, dass sie überhaupt nicht abnahm, obwohl die Treter im Schrank lagen.
»Etwas Berufliches«, unterbrach ich ihn und klopfte auf meine Uhr. »Das Sägewerk Kyllönen braucht Hilfe bei der Zollerklärung für Holzlieferungen. Ich habe versprochen, dass du ihnen unter die Arme greifst.«
»Geht in Ordnung«, sagte Alexej. »Wir geben an, dass es sich um weiterverarbeitete Ware handelt, mit entsprechendem Wert, aber im Gegensatz zum Rohholz zollfrei. Was tut man als Unternehmer nicht alles für die finnische Industrie.«
Ich bestätigte ihm, dass er den Auftrag richtig verstanden hatte.
Alexej begleitete uns zum Wagen.
»Eine tolle Frau. Allerdings ein bisschen zu jung für einen alten Knacker wie dich«, flüsterte er und zwinkerte mir zu.
»Behalt deine blöden Kommentare für dich«, fuhr ich ihn an und schlug die Tür zu.
Die Matrjoschkas, die ich als Souvenirs mitgebracht hatte, weckten zu Hause keine große Begeisterung. Ich führte vor, dass die äußerste Puppe Medwedjew darstellte, in dem ein kleinerer Putin steckte und so weiter, Führer Russlands und der Sowjetunion, bis hin zu Stalin und einem winzig kleinen Lenin. Ich witzelte darüber, dass Tschernenko und einige andere kurzzeitige Staatschefs fehlten, weil selbst der beste Tischler es nicht schaffe, sie alle unterzubringen. Marja lächelte nicht mal, und für Erkki und Anna waren die Figuren nur unbekannte Männchen.
Marja stellte den Beutel mit ihrer Matrjoschka ungeöffnet auf die Spüle. Anna schaffte es noch nicht, die Puppen zu öffnen, und Erkki nahm sie nur einmal auseinander, setzte sie wieder zusammen und vertiefte sich dann in sein Micky-Maus-Heft.
Ich wärmte mir etwas zu essen auf und erzählte von den Strapazen der Reise, von langwierigen Verhandlungen und widerwärtigen Restaurantabenden. Marja bereitete das Abendessen für die Kinder zu. Anna machte sich zufrieden über Brot und Pudding her, aber Erkki wollte zuerst nicht aus seinem Zimmer kommen und verlangte dann Brei oder Pfannkuchen oder irgendwas, bloß nicht immer denselben Mist.
»Setz dich sofort an den Tisch, Erkki!«, schrie Marja.
»Blöde Kuh!«, brüllte Erkki zurück und rannte türenknallend hinaus.
»Wo hat er das nur her?«, fragte Marja beleidigt.
»Er wird es auf dem Schulhof aufgeschnappt haben. Von den anderen«, beruhigte ich sie. »Vielleicht haben sie ihn wieder getriezt. Du solltest ihn nicht so anschreien, er ist doch noch ein kleiner Junge.«
»Du hast leicht reden, du Scheißkerl, treibst dich in Russland rum, rufst nicht an und gehst nicht ans Telefon!«
»Na, das hat aber nichts mit Erkki zu tun. Und fluch nicht vor den Kindern«, setzte ich zum Gegenangriff an.
»Mama darf nicht schreien. Papa ist der Beste. Spitze Mitze«, rief Anna und leckte ihren Löffel ab.
Marja schnaubte wütend und verschwand im Schlafzimmer. Bald kam sie zurück in die Küche, spitzte die frisch geschminkten Lippen. Sie hatte einen kurzen Rock angezogen und eine kleine Handtasche unter den Arm geklemmt.
»Wohin gehst du?«
»In die Stadt. Eine widerwärtige Besprechung. Anstrengende Verhandlungen. Kann spät werden. Wenn du gelegentlich deine SMS lesen würdest, wüsstest du es. Ciao.«
Marja küsste mich flüchtig auf die Wange und zauste Annas Locken. Dann ging sie, ohne sich umzusehen.
Ich brachte die Kinder zu Bett. Anna wollte immer aus demselben Buch vorgelesen bekommen. Darin wäscht sich eine langnasige Maus, zieht die Vorhänge zu und legt sich schließlich schlafen, nachdem sie den Panda gefunden hat. »Und nun gute Nacht, Eule«, wandelte ich den Text ab und rieb mein stoppliges Kinn an der Wange der Kleinen.
Anna wollte die Matrjoschka haben
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