Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
eines ihrer Welpen und den Eiter in seinen Augen und den Milchgeruch an ihren Zitzen.
Die Hündin leckte sich das Maul und gähnte. Schläfrig beobachtete sie das Treiben des Mannes. Er suchte etwas, öffnete den kleinen Kasten hinter dem Sitz. Die Hündin erkannte einen Geruch. Das war damals, als ich in dieses Eisendings getreten bin und mir das Bein wehtat, so furchtbar weh. Der Bauer hat mich auf seinen Armen ins Auto getragen und dann in ein Haus gebracht, das nach Putzmitteln und noch Schlimmerem stank. Da gab es harte Fußböden, glatte Fliesen, auf denen die Krallen keinen Halt fanden, und es war ohnehin schwierig genug, auf drei Beinen zu humpeln.
In dem Haus war ein Mann in einem langen Kittel gewesen. Die Erinnerung an ihn löste immer noch kalte Schauder unter dem Nackenfell aus. Der Mann hatte keine Gerüche aus dem Heimatdorf an sich gehabt, hatte nicht nach Erde oder Stall gerochen, nicht einmal nach dem schwarzen Zeug, dasunter das Auto tropft. Dieser Mensch hatte sie gedreht und gewendet, dann hatte die Hündin einen stechenden Schmerz verspürt, in ihrem Kopf hatte es merkwürdig gebrummt und sie war eingeschlafen. Als sie erwachte, war sie ganz benommen gewesen, hatte sich nicht auf den Beinen halten können, von denen zudem eins, das schmerzende, eingewickelt war, und um den Hals hatte man ihr einen Trichter gelegt, sodass sie ihre Wunden nicht selbst versorgen konnte.
Die Hündin war schon recht alt. Sie erinnerte sich nicht und begriff nicht, dass sie schon seit einigen Jahren keine Jungen mehr geworfen hatte. Aber an den Tierarzt erinnerte sie sich, einer von derselben Art war irgendwann ins Haus gekommen, um den Bauern zu behandeln, als der Schmerzen in der Brust hatte. Und dann war der Bauer in ein Auto gelegt worden, und da war wieder dieser Geruch gewesen. Nach Metall und Arznei, so war es. Aber das hier roch doch anders. Nicht nach dem Wald, nicht nach dem Haus, nicht nach diesem Dorf, wiederholte die Hündin.
Der Mann drückte die Wagentür leise zu und zündete sich eine Zigarette an. Eine andere Sorte als der Bauer, stellte die Hündin fest, verlor dann aber das Interesse am Treiben des Fremden.
Wenn ich aufwache, gehe ich zur Bäuerin, dachte die Hündin. Sie hat Schweineknochen im Ofen geröstet. Dem Tier lief der Speichel im Mund zusammen.
Es war immerhin Iwan Pawlows Hund.
10
Auf der Straße nach Petrozawodsk herrschte wüster Verkehr. Laster überholten sich gegenseitig, ohne Rücksicht auf entgegenkommende Fahrzeuge, und von Zeit zu Zeit zog ein an alte Zeiten erinnernder schwarzer Wolga oder ein neumodischer, stumpfsinniger Jeep über den Seitenstreifen an der Schlange vorbei. Am Straßenrand waren flache Werkhallen, Tankstellen in schreienden Farben und Autogeschäfte mit riesigen Leuchtreklamen entstanden. Die Strommasten waren immerhin noch so schief wie früher, und weiter weg, beim Onegasee, schimmerten die ewigen Wälder.
Julija fuhr bei mir mit. Das hatte Wronskij vorgeschlagen, wie ein Staatsmann hatte er gesagt, Julija solle seinen Aufenthalt in Helsinki vorbereiten. Sie hatte mir erklärt, Wronskij habe Geschäftliches zu erledigen, und das laufe glatter, wenn sie sich vorab mit den finnischen Juristen treffen und mit den Businesspartnern die Termine absprechen würde.
Julija war eine unkomplizierte Begleiterin. Ich brauchte nicht zu warten, weil sie noch packen oder ihr Make-up auffrischen musste. Sie kam einfach an, hievte ihren Koffer selbst in den Kofferraum und stieg ein, saß mit graziös schräg gestellten Beinen neben mir.
Von Prääsä in Richtung Sortavala fuhren wir auf neuem, glattem Asphalt. Die Straße war von soliden Stahlplanken flankiert, und auch die Fahrbahn war präzise markiert. Julijawunderte sich über die breite Straße inmitten einer menschenleeren Einöde und gab mir so Gelegenheit, wie ein Reiseführer von den kleinen Dörfern zu erzählen, die hinter den Kiefernwäldern lagen.
Julija schien interessiert zuzuhören, stellte sogar Fragen, und ich ließ mich lang und breit über die Stadt Sortavala und den Rest Kareliens aus. Julija erzählte mir von ihrer Kindheit in Taschkent und von Schulzeit und Studium in Moskau. Ihr Vater war Kybernetiker und Experte für Datenverarbeitung gewesen, kein Akademiemitglied, aber doch ein anerkannter Spezialist. Er hatte im Labor des berühmten Babajan arbeiten dürfen, wo der Elbrus-Computer entwickelt wurde. Ich nickte respektvoll, denn ich wusste, dass diese Institute in Moskau, Kiew und Penza
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