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Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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mich ausscheiden, ohne Publikumsabstimmung und für immer.
    »Alles begann im Juni in Petrozawodsk«, sagte ich. »Oder eigentlich … vor zwanzig Jahren. Ich kannte den Genossen Wronskij schon damals. Wir waren zusammen bei der Armee. Und damals hieß er Kasimirow. Arseni Kasimirow.«
    Dolgich zündete sich die nächste Zigarette an. Er schien keine Eile zu haben. Plötzlich war ich mir meiner Geschichte sicher und wusste, dass sie ihn interessierte.
    »Erzähl mir alles. In aller Ruhe. Wir können zwischendurch noch eine Runde essen«, lächelte Dolgich.
    Ich saß auf dem Fensterbrett im vierzehnten Stock des Hotels »Vega«. Unten befanden sich ein Busparkplatz, ein flachesEinkaufszentrum und eine Metrostation, vor der Sammeltaxis Passagiere einluden.
    Das Hotel war dereinst für die Moskauer Olympiade gebaut worden, neben drei gleich großen Komplexen im Stadtteil Izmailowo. Es war kürzlich renoviert worden. Man hatte die alte Konstruktion stehen lassen, aber mit neuen Oberflächen überzogen, innen und außen, und das Resultat wirkte überraschend sauber.
    Dolgich hatte sich ein wenig gewundert, weil ich nicht im »National« bleiben wollte. Er hatte zu verstehen gegeben, dass er die Übernachtung bezahlen würde, doch ich hatte gesagt, ich hätte bereits anderswo ein Zimmer reserviert. Wenn man die Mühe auf sich nehme, zehn Minuten mit der Metro zu fahren, zahle man nur einen Bruchteil dessen, was die teuren Hotels im Zentrum verlangten. Dolgich hatte Verständnis gezeigt, sowohl für meine Sparsamkeit als auch für meinen Wunsch, die Dankesschuld möglichst gering zu halten.
    Überhaupt war er mir mit Anerkennung und Wohlwollen begegnet. Er betonte mehrfach, dass ich ihm und seinen Leuten einen großen Dienst erwiesen habe, und meinem Vaterland ebenfalls. Meinem ehemaligen, korrigierte ich. Dolgich sah mich lange an, in den noch glatten Augenwinkeln bildeten sich kleine Lachfältchen. Ich betrachtete sein Lächeln als Zeichen des Respekts vor meiner Kühnheit.
    »Sorge dafür, dass Wronskij den Finnen nicht in die Hände fällt, und liefere die Röhren an die Leute von der Botschaft. Wronskij darf nicht gefasst werden. Das genügt«, sagte Dolgich beinahe befehlend. »Du brauchst ihn nicht zu töten, ich weiß, dass du so etwas nicht tust.« Er war über die Berichte in den Akten aus meiner Spezialausbildung informiert, kannte meine Psyche vermutlich besser als ich selbst.
    Ich nickte. Harmlos, scheinbar beiläufig, fragte ich, wasmit den anderen sei. Was sollte ich mit Bekari und Julija, Wronskijs Helfern, tun? Dolgich sah mich wissend an und meinte, das dürfe ich selbst entscheiden.
    Unser Frühstück dauerte fast zwei Stunden. Dann faltete Dolgich seine handtuchgroße Serviette sorgfältig zusammen, ohne nervösen Blick auf die Uhr, nickte zum Abschied und ging.
    Ich wusste, dass er mich engagieren würde. Jederzeit. Und zwar ohne zu fragen, ob es mir recht sei.
    Mir war auch klar, dass Dolgich mir keine neuen Informationen gegeben hatte. Ich wusste nichts über Wronskij, seine Operation oder seine Hintermänner. Ich konnte nicht sicher sein, ob das Projekt überhaupt existierte oder ob es nur ein Probeschuss war, um die eigenen Leute zu testen oder die Wachsamkeit der Finnen zu erkunden. Wenn Wronskij tatsächlich einen Anschlag plante, wusste ich nicht, wer sein Auftraggeber war.
    Im Hintergrund konnten die jüdischen Geschäftsleute stehen. Möglicherweise war Wronskij ehrlich überzeugt, dass es sich so verhielt. Aber genauso gut konnte es sich bei den wahren Auftraggebern um Ikonen küssende Oligarchen, verwilderte Privatunternehmer aus dem Sicherheitsdienst oder ernste Männer aus dem Schatten der Zwiebeltürme des Kreml handeln. Womöglich gehörte Wronskij zur Urpo -Abteilung des FSB, die sich auf organisierte Kriminalität und Terrorismus konzentrierte. Offiziell war diese Abteilung aufgelöst worden, aber in irgendeiner Form arbeitete sie weiter, da war ich mir sicher.
    In Russland gab es genug Intriganten, so war es immer schon gewesen. Und niemand hielt es für nötig, mir zu sagen, ob diese spezielle Intrige echt war und wer die Kette von der Rolle gelassen hatte.
    Außerdem kam mir Dolgichs als Bitte um Hilfe getarnter Befehl durchaus gelegen. Er war eindeutig, ich brauchte – vielleicht – nichts allzu Kriminelles zu tun, und würde mit halbwegs trockenen Füßen aus der Schlammpfütze herauskommen. Vielleicht.
    Ein paar Vielleichts zu viel.
    Unten starteten Busse und fuhren qualmend

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