Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
ab. Die freien Flächen zwischen den Hotels wurden renoviert, zwei Pflasterer hockten auf den Knien und klopften die Platten fest. In der Mitte des Pflasters war eine Grasfläche angelegt, die in märchenhaft zartem Grün sprießte. Am Eingang zur Metro entdeckte ich mehrere Milizionäre. Sie hielten Leute an, überprüften bei Menschen, die dem Aussehen nach aus Kaukasien oder Fernost stammten, die Papiere, suchten nach illegal Beschäftigten, die sich ohne Genehmigung in Moskau niedergelassen hatten.
Noch an diesem Abend oder spätestens am nächsten Morgen wollte ich ins Marktviertel gehen. Dort fand sich vielleicht Importware für Alexej oder mich. Kartentaschen sowjetischer Offiziere, alte Gasmasken, Kokarden, Ordenszeichen, Karten aus der Kriegszeit … für alles gab es Abnehmer, interessierte Sammler.
Und morgen, bevor mein Zug abfuhr, würde ich wie ein Tourist auf den Roten Platz gehen und mich in ein Straßencafé vor dem alten Warenhaus Gum setzen. Ich würde ein Glas unverschämt teuren italienischen Weißweins trinken und mich wundern.
Ich würde daran zurückdenken, wie ich bei der Parade zur Feier der Revolution auf diesem Platz gefroren hatte.
Lenin würde ich allerdings keinen Besuch abstatten.
Ich mochte keine Toten, auch dann nicht, wenn sie einbalsamiert waren.
31
Der Overall des Mannes war aus dunklem, glattem Stoff. Obwohl der Mann sich kaum von dem schwarzen Blechdach des Präsidentenpalastes abhob, tat er sein Bestes, sich gebückt und unauffällig zu bewegen. Er kroch ein Stück vorwärts, hielt an, überprüfte die Durchführungen der Ventilationsröhren, richtete den Strahl seiner Stablampe in alte Schornsteine und betrachtete mit einem Spiegel, der an einem Stock befestigt war, die Unterseite der Regenrinnen.
Zum Abschluss seiner Mission setzte sich der Mann auf die Dachleiter und ließ den Blick von der Esplanade zur Uferstraße und über den Markt wandern. Er winkte zur Hauptgeschäftsstelle des Konzerns Stora Enso hinüber. Auf dem flachen Dach des an einen riesigen Zuckerwürfel erinnernden Gebäudes erhob sich eine ähnliche dunkle Gestalt und winkte zurück.
Der Mann nahm seine Schirmmütze ab, auf der in weißer Schrift POLIZEI stand, und wischte sich den Schweiß vom Haaransatz. »Prävention erledigt. Das Palastdach und das Enso-Haus sind gecheckt. Wir kommen runter«, meldete er per Funk und stieg über die Leiter in den Innenhof des Präsidentenpalastes.
Der Supo-Ermittler Marko Varis und Kriminalhauptmeister Teppo Korhonen standen untätig an der zur Mariankatu gelegenen Seite des Gebäudes, neben der Hauptwache.
»Guck mal, die Gegend scheint bei Hundebesitzern sehr beliebt zu sein«, frotzelte Korhonen, als zwei Polizisten, die er kannte, in Zivilkleidung und mit einem Golden Retriever an der Leine vorbeischlenderten. Korhonen flüsterte Varis gut vernehmlich zu, die Jungs seien wirklich hübsch. Sie würden glatt als schwules Pärchen durchgehen, das seinen Köter mit Wauwau oder Baby anredet.
Varis befahl Korhonen, den Mund nicht so weit aufzureißen. Korhonen nickte wissend, zeigte dann mit dem Finger auf einen Fotografen, bei dem es sich um einen Kollegen von Varis handelte. »Für welche Zeitung mag der wohl arbeiten?«, fragte Korhonen unschuldig.
Der Fotograf richtete seine Kamera auf die von einem Schutzgitter zurückgehaltenen Demonstranten. Die Gruppe war aus Estland angereist, um gegen die Unterdrückung der dortigen russischen Minderheit zu protestieren, und auch aus Russland war eine Busladung nationalistisch gesinnter Naŝi -Jugendlicher gekommen. Varis wusste, dass unter den Demonstranten auch Finnlandrussen waren, machte aber keine Anstalten, Korhonen über die Sachlage aufzuklären.
»Warum hängen wir eigentlich hier herum?«, fragte Korhonen gelangweilt.
»Sei still. Er kommt«, zischelte Varis. Der dunkelhaarige Mann, der ihm bei der Besprechung in der Botschaft gegenübergesessen hatte, kam vom Marktplatz her und lächelte strahlend. Allein, stellte Varis fest. Der Mann gab beiden die Hand, wandte sich dann auf Russisch an Korhonen.
»Was sagt er? Woher weiß er, dass du Russisch kannst?«, fragte Varis.
Korhonen brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen, hörte zu und nickte zu den Worten des Russen.Der Mann kam zum Ende, gab den beiden Finnen erneut die Hand und ging.
»Na?«, drängte Varis.
»Was na? Er hat mir eine Adresse in Hakunila genannt. Er sagt, Kärppä und Wronskij und dieser Kraftprotz und die Tussi sind da, alle
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