Zeit des Zorn
Bergregion im Westen
Mexikos auf der richtigen Höhe, mit dem richtigen Säuregehalt der Erde und
ausreichend Niederschlag, so dass der Mohn dort gedeiht. Seit Generationen
bauen die gomeros - spanischer Slang für
Opiumbauer -Mohn an, verarbeiten ihn zu Opium und verkaufen dieses dann auf dem
amerikanischen Markt, der zunächst hauptsächlich aus chinesischen
Schienenarbeitern an der Südwestgrenze von Texas, New Mexico, Arizona und
Kalifornien bestand.
Die amerikanische
Regierung tolerierte den Handel, erklärte das Opium später aber für illegal
und übte einigermaßen Druck auf die mexikanische Regierung aus, den Anbau zu
unterbinden - ohne großen Erfolg.
Während des Zweiten
Weltkriegs vollzog die amerikanische Regierung eine Wende um 180 Grad. Da man zur Morphiumherstellung
dringend Opium benötigte und von den Bezugsquellen in Afghanistan und dem
Goldenen Dreieck abgeschnitten war, wandte man sich an Mexiko und flehte die
dortige Regierung an, mehr und nicht weniger Opium zu produzieren. Tatsächlich
haben wir eine Schmalspurbahn gebaut, damit die gomeros ihre Ernte schneller aus
den Bergen abtransportieren konnten. Die gomeros ihrerseits reagierten,
indem sie immer mehr Flächen für den Mohnanbau erschlossen. Auf diese Weise
beruhte die gesamte Wirtschaft in Sinaloa in den vierziger Jahren auf dem
Opiumhandel, und die gomeros wurden zu reichen und mächtigen
Grundbesitzern.
Nach dem Krieg wandten
sich die Vereinigten Staaten, die daheim inzwischen mit einem eklatanten
Heroinproblem zu kämpfen hatten, erneut an Mexiko und bestanden darauf, dass
der Mohnanbau eingestellt wurde. Die Mexikaner waren, vorsichtig formuliert,
leicht irritiert, aber auch besorgt, denn die Sinaloaer - und zwar nicht nur
die reichen gomeros, sondern auch die campesinos, die Bauern, die das Land
bestellten - waren wirtschaftlich vollkommen abhängig vom Mohnanbau.
Keine Sorge, sagte da die
amerikanische Mafia. Bugsy Siegal fuhr nach Sinaloa und versicherte den gomeros, dass die Mafia soviel
Opium kaufen würde, wie sie herstellen konnten. Die pista
secreta - der illegale Drogenhandel -
nahm ihren Lauf, und es kam zu Gebietsstreitigkeiten zwischen rivalisierenden gomeros. Cliacán, die Hauptstadt von Sinaloa, wurde als »Little
Chicago« bekannt.
Auftritt Richard Nixon.
1973 rief Nixon die Drug Enforcement
Administration ins Leben und schickte Beamte der DEA -
größtenteils ehemalige CIA-Leute - nach Sinaloa runter, um den gomeros das Handwerk zu legen. 1975 startete die Operation Condor,
bei der DEA-Agenten gemeinsam mit der mexikanischen Armee riesige
Mohnanbauflächen bombardierten, abfackelten und entlaubten, wodurch tausende
von Bauern heimatlos wurden und die Wirtschaft am Ende war.
Und - das muss man sich
mal reinziehen - der mexikanische Cop, der die Operation leitete, der Mann,
der mit dem Finger auf die Gebiete zeigte, die bombardiert und abgefackelt,
und bestimmte, welche Personen verhaftet werden sollten, war der zweitgrößte
Opiumproduzent in Sinaloa, ein wahrhaft teuflisches Genie namens Miguel Angel
Alvarado, der sich dank Condor seiner Konkurrenten entledigte.
Alvarado versammelte
auserwählte Überlebende in einem Restaurant in Guadalajara - bewacht von der
Armee und den federales - und gründete El Federación - die Föderation - und teilte
Mexiko in plazas, das heißt Gebiete, ein -
der Golf, Sonora und Baja, wobei
er, mit Sitz in Guadalajara, Chef des Ganzen war.
Alvarado, ein echt
revolutionärer Unternehmer, verlagerte sich weg vom Opiumhandel hin zum
Schmuggel mit kolumbianischem Kokain durch die mexikanische Hintertür.
Die Vordertür war
Florida. Miami. Auf das die DEA ihre Ermittlungen
konzentrierte. Die armen Schweine in Mexiko beschwerten sich lauthals über die
Kokslieferungen - wieder bewacht von der Armee und der Polizei -, aber aus DC
kam die Weisung, sie sollten in ihrem eigenen Interesse die dämliche Klappe
halten, weil man nämlich längst ausposaunt hatte, man habe den Drogenkrieg in Mexiko
gewonnen.
Mission erfüllt.
El Federación machte
in den achtziger und neunziger Jahren auf ihren drei plazas Milliarden von Dollar und
häufte so viel Reichtum und Macht an, dass sie zu so was wie einer
Schattenregierung wurde, eng verflochten mit der Polizei, dem Militär und sogar
dem Amt des Präsidenten. Bis man in DC aufwachte und einräumte, was wirklich
Sache war, war's zu spät. El Federación war eine Großmacht geworden.
»Was ist dann passiert?«,
fragt Ben.
Die Organisation ging
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