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Zeit des Zorn

Zeit des Zorn

Titel: Zeit des Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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es gewollt. Hätte es versucht, aber ... Ich hätte es nicht
gekonnt.
    Mit
dem Mantra kommt die Scham und, erstaunlich für den Nachkommen zweier
Psychiater, das Gefühl, etwas von seiner Männlichkeit eingebüßt zu haben.
    Du kommst dir nicht vor
wie ein ganzer Mann, weil du dir nicht das Hirn weggeballert hast? Auf Befehl?,
fragt sich Ben. Als hättest du Männlichkeit je mit Machogehabe gleichgesetzt.
Das ist doch irre. Das ist mehr als irre, das ist jenseits jedes irren
Horizonts.
    Ja, aber irre ist, wo wir
jetzt leben.
    Die Republik Irre.
    Und Chon hätte es getan.
    Nein, anders ... Chon hat
es getan.
    Und
was, wenn Was, wenn Was, wenn
    Sie Chon befohlen hätten,
nicht sich selbst zu erschießen, sondern Mich.
    Er
hätte es getan.
    Tut
mir leid, Ben. Aber bumm.
    Und
er hätte recht gehabt.
    Ben biegt in dem ruhigen
Vorortviertel im östlichen Teil von Mission Viejo in
eine Sackgasse ein. Die »Old Mission« (Meet
the new mission, same as the old mission). Das Haus steht hinten am
Wendekreis, der gepflegte Hof wird durch eine Mauer von einem langen Hügel
getrennt, in dessen Unterholz Hasen und Koyoten hausen.
    Er fährt in die Einfahrt,
steigt aus, geht zur Tür und klingelt.
    Er weiß, dass die
Überwachungskamera auf ihn gerichtet ist.
    (Sollte
jedenfalls so sein.)
    Damit Eric gleich weiß,
dass er's ist, wenn er an die Tür kommt.
    Eric sieht nicht aus wie
ein Dopefarmer, er sieht aus wie ein Versicherungsmakler. Kurzes hellbraunes
Haar, hohe Stirn. Hornbrille. Alles, was ihm zum Superspießer fehlt, ist ein
Einstecketui für Kugelschreiber in der Brusttasche.
    »Hi.«
    »Hi.«
    Er durchquert mit Ben das
Wohnzimmer - modernes Ecksofa, Liegesessel, Riesenfernseher, auf dem America's Got Talent läuft - und die Küche -
Arbeitsflächen aus Granit, Kochinsel aus Eiche, Edelstahlspüle - und führt ihn
zum Swimmingpool unter einem Dach aus getöntem Plexiglas.
    Was
für ein Pool.
    Mit
Wärmestrahlern und Bewässerungsanlagen. Metallene Halogenlampen zur
Unterstützung der vegetativen Phase
    Natriumdampf-Hochdrucklampen
für die Blühperiode. Ein voll funktionsfähiges Treibhaus. Ben sieht auf die
Uhr. Scheiße verflucht.
    Merkt, dass ihm der
Angstschweiß unter den Achseln steht.
    »Alles
eingepackt?«, fragt er. »Alles, was reif für die Ernte war.“
    »Lass
uns einladen.«
     
    Hinter dem Haus wartet
eine Familienkutsche mit ausgebautem Rücksitz. Ben und Eric laden kiloweise
ein, dann setzt sich Ben ans Steuer und lässt den Motor an.
    Er
hat noch dreiundvierzig Minuten bis nach Costa Mesa.
     
    Er
rauscht durch Südkalifornien
    Durchschneidet
die Nacht
    Der
Freeway (5) ist sanft und warm und
    Einladend
    Aber
für Ben
    Sind die grünen
Abfahrtschilder Stufen hinauf aufs Schafott
    Zu O.
    Jedes einzelne markiert
die Zeit, sagt ihm, wie viele Meilen noch vor ihm liegen -
    Und
wie viele Meilen, bis sie stirbt. Aliso Viejo, Oso Parkway, El Toro Lake
Forest, Culver, MacArthur
    Der John-Wayne-Airport
liegt jetzt zu seiner Linken, leuchtet in weißem Licht, über Nacht geschlossen,
damit der Flugverkehr nicht den süßen Schlummer von Orange County stört ...
    Jamboree, weil da mal die Pfadfinder campiert
haben.
    Ben fährt mit einem Wagen
voller Dope hundertvierzig. Er will nicht so rasen, aber er muss, weil die Uhr
tickt.
    Irvine Spectrum mit dem unglaublichen Riesenrad und
    Irvine
Amphitheater, an dem eine Laufschrift den bevorstehenden Auftritt von Jimmy
Buffet ankündigt, o strömt herbei, ihr treuen Parrotheads ...
    Aus
dem Augenwinkel sieht Ben
    Den Wagen der California
Highway Patrol
    Auf
dem Mittelstreifen lauern
    Wie
der Tod
    (Krebs, Herzinfarkte und
Aneurysmen warten geduldig auf dem Mittelstreifen)
    Er betet, dass der Cop
was Besseres zu tun hat, spielt im Kopf den Springsteen-Song ab (»Please, state
trooper, please don't stop me, please don't stop me, please don't stop me«),
nicht weil er sich vor den Jahren im Gefängnis fürchtet, sondern weil das Os
sicherer Tod wäre, und er späht in den Rückspiegel, um zu sehen, ob der Bulle
losfährt (please don't stop me, please don't stop me), aber er tut es nicht.
    Ben
kann verflucht noch mal, verflucht nicht atmen.
    Seine
Hände kleben am schweißnassen Lenkrad.
    Endlich, Bristol Street.
    South Coast Plaza.
    Os
Jagdgründe.
    Er fährt links ab auf die
Fairview Road. Er guckt hektisch links und rechts, sucht die Adresse, die sie
ihm gegeben haben.
    Komm schon, komm schon,
komm schon Wo ist es, wo ist es, wo ist es
    Er hat Bauchschmerzen,
der Magen krampft

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