Zeit Des Zorns
Thabo Mbeki, von 1999 bis 2008 Mandelas Nachfolger als Staatspräsident, nannte sich selbst einen »Thatcherist«. Ihre ökonomischen Zugeständnisse machten die sozialpolitischen Projekte der ANC-Regierung finanziell zunichte.
Die Zentralbank wurde »unabhängig«, nicht der Regierung unterstellt, und ihr Chef war der alte Chef aus der Zeit der Apartheid. Letzteres galt auch für den Finanzminister. 70 Prozent des Bodens gehören der weißen Minderheit. Die für die ärmsten Landarbeiter und Kleinbauern lebensnotwendige Landreform scheiterte am (neuen) Verfassungspassus, allen Privatbesitz zu schützen. Die »Minen, Banken und Monopolindustrien«, die Mandela hatte verstaatlichen wollen, sind immer noch in der Hand der wenigen Großkonzerne, die auch die südafrikanische Börse beherrschen (inzwischen wurde ein nationales Bergbauunternehmen gegründet). Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit scheiterte an der Schließung Hunderter von Fabriken, die wegen einer Vereinbarung mit dem GATT dicht gemacht werden mussten. Südafrika war auch der WTO beigetreten, also verstieß die Verbreitung kostenloser Aids-Medikamente in den Townships gegen die Vereinbarung über geistige Eigentumsrechte. Dem IWF hatte die Regierungspartei ANC »Lohnzurückhaltung« zugesichert, deshalb konnten die rassistisch motivierten Mindestlöhnefür schwarze Arbeiter leider nicht angehoben werden. Während sich alle möglichen Popsternchen mit dem Helden Mandela fotografieren ließen, versank das Land in Armut. Die ANC-Regierung setzte auch in den Wahrheitskommissionen keinen Schadensersatz für das Leid durch, welches das alte Regime über die Menschen gebracht hatte, aber sie erklärte sich bereit, für die Schulden des Apartheidregimes aufzukommen, anstatt diese Lasten den alten Kumpanen und Geschäftspartnern der rassistischen Regierung vor die Füße zu werfen. 2011 lag die Auslandsverschuldung Südafrikas bei 111,5 Milliarden US-Dollar, aber die Einfuhr deutscher Güter stieg in nur einem Jahr um 15,6 Prozent. Millionen Menschen verloren bald das bisschen, was sie bekommen hatten, die neuen Wasser- und Stromanschlüsse wurden wieder abgestellt. Die durchschnittliche Lebenserwartung sank seit 1990 um 13 Jahre.
Der langjährige Anti-Apartheids-Kämpfer, Schriftsteller und Filmemacher Rassool Snyman sagte: »Sie haben uns niemals befreit. Sie haben uns nur die Kette vom Hals genommen und sie an unseren Füßen festgemacht.« 224
Von der Fußballweltmeisterschaft 2010 profitierte nicht Südafrika, sondern die Fifa und internationale, auch deutsche Konzerne. Heute sind viele soziale Vorzeigeprojekte eingestellt, die teuren Sportstadien verfallen. Deutsche Konzerne und mittelständische Betriebe aber fuhren mit der Fußballmeisterschaft Aufträge im Wert von 1,5 Milliarden Euro ein, allein auf Siemens entfielen 1 Milliarde Euro. Das ist nichts Neues: Die Dresdner Bank, die Commerzbank und die Deutsche Bank zogen aus ihren Apartheidgeschäften (1971–1993) einen Gewinn von ca. 4 Milliarden Euro. 225
Sri Lanka : Eine breite Protestbewegung hatte im April 2004 eine Anti-Privatisierungs-Regierung, die soziale Reformen plante, an die Macht gebracht, aber der Tsunami im Dezember desselben Jahres spülte die Hoffnung davon. Nur wenige Stunden nach der Naturkatastrophe wurde eine menschengemachte Katastrophe, die umfassende Privatisierung des Landes, beschlossene Sache. Die war die Voraussetzung für die Gewährung von Hilfsgeldern der kapitalistischen Agenturen. VierTage nach dem Tsunami peitschte die um 180 Grad gewendete Regierung ihre nagelneuen Privatisierungspläne durch das Parlament. Die militanten Bauern und Fischer, die sich seit Jahren gegen die Enteignung ihres Landes und ihrer Küsten gewehrt und deshalb diese Regierung an die Macht gebracht hatten, waren derweilen, sofern sie nicht ertrunken waren, mit dem nackten Überleben beschäftigt.
Mitglieder der neuen »task force« der Regierung waren die mächtigsten Wirtschaftsführer des Landes, fünf von zehn vertraten die Interessen der Hotelketten. Bauern und Fischer waren nicht dabei. So verloren sie ihr Land nicht durch das Meer, sondern durch einen demokratisch verbrämten Staatsstreich.
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Erst nach Jahrzehnten gelang es einigen lateinamerikanischen Staaten, die inzwischen durch soziale Kämpfe wieder demokratisch gewählte Regierungen hatten und mancherorts den Vorteil von wertvollen Ressourcen besaßen, den Würgegriff von IWF und Weltbank zu lockern.
Als im Jahre 2005 der
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