Zeit für Eisblumen
schwarzen Hosen, hohen Stiefeln und einem knielangen, dunkelgrünen Mantel bekleidet stand sie lässig an ihren Fiat 500 gelehnt und wartete auf mich. Ihr kleiner Hund Puck sprang um sie herum und schnüffelte in den Blätterhaufen am Boden nach Mäusen.
„Fee!“ Nina kam auf mich zugestürmt und umarmte mich mit ihren 1,80 so fest, dass ich fast in dem rüschenbesetzten Kragen erstickte.
Ich trat einen Schritt zurück und schnappte nach Luft.
„Gut siehst du aus. Die Berliner Luft scheint dir zu bekommen. Und wo hast du diesen Mantel her? Der passt super zu deinen Haaren.“
„Wirklich?“ Geschmeichelt schüttelte Nina ihre rotbraune Haarpracht. Ihr Blick wurde prüfend. „Das Kompliment kann ich leider nicht zurückgeben. Du siehst schrecklich aus. Was ist los? Zehren die schlaflosen Nächte an dir? Und wo hast du deinen Sohn gelassen?“
„Den habe ich bei Milla geparkt. Aber erzähl mir von Berlin! Du hast mir so gefehlt.“ Ich nahm Nina noch einmal in den Arm und beugte mich zu Puck hinunter, um ihm kurz den Kopf zu tätscheln.
Auf unserem Weg durch den Weltwald berichtete mir Nina, wie es ihr in den letzten drei Monaten ergangen war. Seit ihrem Umzug nach Berlin sprachen wir selten miteinander. Entweder musste sie drehen oder ich. Wir beide schienen nie zur gleichen Zeit wach zu sein und Lust zum Telefonieren zu haben.
Ich kannte Nina schon, solange ich denken konnte. Als Babys hatten uns unsere Mütter zusammen im Buggy herumgeschoben. Später backten wir Sandkuchen und buhlten um die Aufmerksamkeit von Hannes, dem süßesten Jungen in der Klasse. Sie hielt mir die Haare zurück, als ich mich an Eckes Edelkirsch betrunken hatte, und sie fuhr mich auf ihrem altersschwachen Mofa zu meinem ersten Mal. Nina war es auch, der ich meine Bekanntschaft mit Sam zu verdanken hatte.
Während des Studiums war Nina einige Zeit mit einem Jungen namens Suri zusammen gewesen. Eigentlich hatte sie mit ihm nur ihre Quote aufbessern wollen, denn obwohl Suri eine dicke Brille trug und ihr nur knapp bis zu den Augenbrauen reichte, hatte er sich an der Uni den Ruf erworben, mit fast jeder Frau geschlafen zu haben. Der Sex mit ihm war aber so fantastisch, dass Nina einfach nicht von ihm loskam. Die darauffolgenden Wochen gewöhnte sie sich eine bucklige, vornübergebeugte Haltung an, um sich mit ihm auf gleiche Höhe zu begeben, und ich lernte Suris Freund Sam kennen. Während die beiden die meiste Zeit im Bett verbrachten, traf ich mich mit Sam in den Isarauen, um in der Sonne zu faulenzen und uns an Bacardi Breezer zu betrinken. Als es an einem Tag regnete, gingen wir zusammen in die Sauna. Dort bemerkte ich das erste Mal, dass Sam ein Mann war, und die Stimmung zwischen uns heizte sich derart auf, dass er nur noch mit Handtuch um die Hüfte herumlaufen konnte und ich nachts von Bildern gequält wurde, wie er seine verschwitzte Haut an meinem nackten Körper rieb und wir an jedem erdenklichen Ort und in jeder erdenklichen Stellung miteinander schliefen. Doch es blieb bei meinen schmutzigen Fantasien und auch die bacardisüßen Tage in den Isarauen wiederholten sich nicht. Denn eine Regenfront zog auf und Nina und Suri trennten sich. Er hatte mit gleich zwei Frauen zusammen eine Münchner Nobeldisko verlassen und sie hatte davon Wind bekommen.
In den folgenden Jahren trafen Sam und ich uns ein paar Male auf Unipartys oder in der Stadt. Nach dem Ende unseres Studiums sahen wir uns eine ganze Zeit lang überhaupt nicht. Bis ich beim Joggen im Englischen Garten mit ihm zusammenprallte und wir Laufpartner wurden.
Nina konnte immer noch nicht über Suri sprechen, ohne Gift und Galle zu spucken. Und das, obwohl sie in den letzten Jahren ihre Männer ebenso häufig wie ihre Jobs gewechselt hatte. Doch in Berlin, wo sie zusammen mit Tamara, einer ehemaligen Visagistin der Vogue, die Firma profashional films gegründet hatte, schien sie sich heimisch zu fühlen.
„Es läuft alles noch recht schleppend. Ganz von unseren Filmen leben können wir momentan nicht“, berichtete Nina. „Aber die Arbeit macht Spaß, ich kann kreativ sein, und letzte Woche haben wir für Kaviar Gauche gedreht. Wenn der Film gut ankommt, können wir garantiert mit weiteren Aufträgen rechnen und uns über kurz oder lang einen Namen in der Branche machen.“
Sie erzählte mir von ihrer neuen Wohnung, von all den süßen Typen, die sie bereits kennen gelernt hatte, und sie nannte mir all die Läden, in die wir beide unbedingt gehen müssten,
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