Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
Vom Netzwerk:
zu Sam und mir und schlug gegen die Wand.
    „Da! Da!“
    Sam tat ihm den Gefallen und zupfte ein wenig an einem Stein herum, machte ein bedauerndes Gesicht und sagte: „Geht nicht. Der Stein ist fest.“
    „Ab, ab!“ Pauls Gesichtsfarbe wechselte von Babyrosa zu Fleckigrot und er stieß wütende Laute aus. Schnell zog ich ihn von der Wand weg und kramte in der Tasche nach dem Knisterbuch mit den Tieren. Paul liebte es. Doch die kleinen Schweinchen mit ihren Ringelschwänzen und die Hundewelpen schienen seine Aggression noch zu verstärken. Er feuerte das Buch auf den Boden und wand sich aus meinem Griff heraus. Dann krabbelte er erneut auf die Steinwand zu und schlug dagegen. Die hippe Asiatin am Nachbartisch, die Paul anfangs noch verzückt beobachtet hatte, warf uns einen genervten Blick zu.
    „Kannst du nicht wenigstens versuchen, einen kleinen Stein herauszureißen“, flüsterte ich.
    „Das ist Sachbeschädigung.“ Sam sah mich verständnislos an.
    „Ich weiß. Aber wir müssen etwas tun, damit Paul diese blöde Wand in Ruhe lässt.“
    „Und was? Ich bin auf jeden Fall nicht dazu bereit, morgen unseren Versicherungsmakler anzurufen und ihm zu erklären, dass ich aus Versehen einen Plastikstein aus einer Wand in einem Restaurant gerissen habe. Lenk Paul mit etwas zu essen ab!“
    Ich griff nach einem Stück Brot und zog Paul erneut zu mir auf den Schoß. Lockend hielt ich es ihm vor die Nase. Doch er schlug danach und kreischte auf. Die Bedienung stellte Sams Enchiladas vor uns auf den Tisch. Entschlossen nahm ich Paul auf den Arm.
    „Ich werde mit ihm durchs Lokal gehen, bis mein Essen kommt. Vielleicht hat er bis dahin die blöde Wand vergessen.“
    Nach drei Runden im unteren und zwei weiteren im oberen Bereich des Restaurants hatte diese von ihrer Anziehungskraft jedoch nichts verloren. Immer wenn ich mich unserem Tisch näherte, begann Paul zu strampeln und zu quengeln und wollte auf den Boden gesetzt werden. Nachdem Sam fertig gegessen hatte, löste er mich ab. Ich schlang meinen Salat herunter und trank meinen Planters Punch in nur zwei Zügen aus. Als wir nach einer Dreiviertelstunde völlig gestresst im Auto saßen, hatte ich Bauchschmerzen, war leicht betrunken, und zu allem Überfluss schrie Paul auch noch aus vollem Hals. Ich drehte mich zur Rückbank um und steckte ihm einen Schnuller in den Mund. Doch er stieß ihn mit der Zunge weg und schrie lauter.
    „Lass ihn!“, fuhr Sam mich an. „Er mag ihn nicht.“
    „Und ich mag nicht die ganze Heimfahrt mit einem schreienden Kind im Auto sitzen“, blaffte ich zurück und rammte den Schnuller erneut in den weit geöffneten Mund unseres Sohnes. Damit er ihn nicht wieder hinausspucken konnte, hielt ich ihn fest. Paul würgte.
    „Hör auf! Du kannst ihn doch nicht knebeln. Wie würde es dir gefallen, wenn ich dir den Mund zuhalte, wenn du einen deiner hysterischen Anfälle hast.“
    „Ich habe keine hysterischen Anfälle.“
    „Ach.“ Sam sah mich mitleidig an. Das genügte!
    „Bald musst du mich nicht mehr ertragen. Ich fliege nämlich nächsten Samstag nach Irland.“
    So, jetzt war es raus. Auch wenn der Zeitpunkt nicht ganz so strategisch günstig war, wie ich es mir erhofft hatte.
    „Du tust was?“ Sam sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren.
    „Ich fliege nach Irland.“ Ich kramte eine Flasche Tee aus meiner Tasche und steckte Paul den Sauger in den Mund. Das Geschrei verstummte.
    „Im Winter?“
    „Warum nicht?“
    „Weil es dort kalt ist und ständig regnet.“
    „Der Winter ist in Irland wegen des Golfstroms längst nicht so kalt wie bei uns.“ Diese Information hatte ich kurz vor unserem Abendessen aus Wikipedia entnommen.
    „Das mag ja sein. Aber was willst du dort?“
    „Ich werde herumfahren und mir die Insel anschauen.“
    „Dort ist Linksverkehr. Bist du schon einmal links gefahren?“
    „Nein, aber so schwer kann das nicht sein. Schließlich fahren alle anderen Autos ebenfalls auf der linken Seite.“
    Sam presste seine Hände fest um das Lenkrad. „Wie lange bleibst du?“
    „Das weiß ich noch nicht. Ich habe nur den Hinflug gebucht.“
    Ihm blieb der Mund offen stehen. „Du weißt nicht, wann du zurückkommst?“
    „Ich komme zurück, wenn ich alles, was ich mir anschauen will, gesehen habe. Aber wenn es dich beruhigt: Weihnachten bin ich wieder da.“
    „Aber was ist mit Paul? Lässt du ihn bei deinen Eltern?“
    „Ich nehme ihn mit.“
    „Das geht nicht“, sagte Sam.
    Die Ader auf meiner

Weitere Kostenlose Bücher