Zeit für Eisblumen
Wir haben uns vor anderthalb Jahren auf deiner Tour durch Deutschland kennen gelernt. Ich habe einen Beitrag über dich gedreht.“
„Und wir haben den krassesten Sex meines Lebens miteinander gehabt. Aber bei dir scheint er ja keinen besonders großen Eindruck hinterlassen zu haben“, fügte ich in Gedanken zynisch hinzu.
„Felicitas. Erinnerst du dich an mich?“ Ich streckte ihm meine Hand entgegen.
David drückte sie kurz. Ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Gehirn ratterte und knirschte.
„Die schöne Münchnerin?“, fragte er schließlich nach einigen Augenblicken unsicher.
„Stimmt. Die bin ich.“ Ich lächelte gezwungen.
Die schöne Münchnerin. So hatte er mich tatsächlich genannt. Und ebenso wie jetzt hatte ich diesem Ausdruck wenig abgewinnen können.
„Was machst du hier?“, fragte David unbehaglich.
Bildete ich es mir ein oder war er unter seiner Bräune ein klein wenig blasser geworden?
„Ich reise mit meiner Mutter durch Irland und dachte, es wäre nett, dich mal wiederzusehen. Wir haben uns ja eine ganze Zeitlang nicht gesehen“, leierte ich den eingeübten Spruch hinunter, der mir zum Glück gerade wieder eingefallen war.
Gott, ich hasste diese Situation. Konnte sich vor meinen Füßen bitte ein Erdloch auftun, das mich verschluckte?
„Ja, äh. Schön.“ David starrte mich immer noch an, als wäre ich ein Geist. „Woher wusstest du, wo …?“
„Du hattest mir doch deine Adresse gegeben.“ Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen.
„Aha.“
„Ja.“ Ich strahlte ihn an. Klar, diese Lüge würde auffliegen. Aber es würde alles herauskommen. Und jetzt, in diesem entsetzlichen Moment, verschaffte sie mir ein wenig Aufschub.
Plötzlich huschte ein Lächeln über Davids Gesicht. Langsam schien er seine Fassung wiederzugewinnen. „Du hast dich überhaupt nicht verändert. Immer noch genauso hübsch wie damals.“
Verlegen musterte ich meine Fingernägel. „Du dich auch nicht. Auch wenn du bei unserem letzten Treffen keine Schubkarre in der Hand hieltest.“ Herr im Himmel, was redete ich für einen Mist! Doch ich machte tapfer weiter. „Ich hätte dich anrufen sollen, aber ich hatte deine Nummer leider nicht. Und meine Mutter und ich wollten sowieso ein paar Tage in den Slieve Aughty Mountains bleiben.“
„Habt ihr schon eine Unterkunft?“, fragte David.
Ich nickte. „In der Hill Bar.“
„Ihr wohnt in der Hill Bar? Ian vermietet Zimmer?“
„Ja. Sie sind wirklich schön. Ganz groß und hell und … Spielst du noch Geige?“
„Hin und wieder.“
„Aber wolltest du dich nicht für ein Stipendium auf der Juilliard in New York bewerben? Dein Geigenlehrer hat dir doch eine Empfehlung geschrieben. Deswegen bist du doch in deinen Semesterferien als Straßenmusiker durch Europa getingelt. Um Geld für den Flug zu verdienen.“
David zuckte mit den Schultern. „Meine Mutter braucht mich auf dem Hof. Aber am nächsten Wochenende habe ich einen Auftritt in Galway. In Murphys Pub. Bist du noch da?“
„Ich weiß es nicht.“ Unbehaglich trat ich von einem Gummistiefel auf den anderen. „Aber wenn, komme ich gerne.“
Ich war enttäuscht. In München war mir David immer so unabhängig vorgekommen. Wie ein Wanderfalke. Und nun stand er hier, in Gummistiefeln, und schob Pferdemist über eine Wiese. Doch er schien nichts von meinen skeptischen Gedanken zu bemerken.
„Arbeitest du noch beim Fernsehen?“, fragte er freundlich.
„Ja, immer noch.“ Verzweifelt zermarterte ich mir den Kopf nach weiteren Gesprächsthemen.
Auch David schwieg und sah mich abwartend an, bevor er seine Schubkarre wieder anhob und ich ihm den Berg hinunterfolgte. Unten angekommen entleerte er sie schwungvoll neben einem hohen Misthaufen. Er drehte sich nach mir um.
„Ich würde gerne noch ein wenig mit dir plaudern. Aber in einer Viertelstunde kommen meine Schüler. Wir reiten aus.“
„Wie schön! Ich liebe Pferde!“ Ich versuchte, meiner Stimme einen enthusiastischen Klang zu geben. „Kann ich mitkommen?“
„Du möchtest mitreiten?“, wiederholte David, hörte sich dabei aber nicht ganz so erfreut an, wie ich es mir erhofft hatte.
„Wenn es dir recht ist.“
„Kannst du denn reiten?“
„Ein bisschen. Aber die letzten Jahre bin ich leider nicht mehr dazu gekommen.“ Ich verschwieg ihm, dass meine Reitversuche stets auf Volksfesten stattgefunden hatten und ich alles andere als begeistert von dieser Art der Fortbewegung gewesen war. Groß, Furcht
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