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Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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zur Slieve Aughty Riding Ranch. Eine Meile die Straßen runter, vorbei an Shop und Tankstelle und kurz hinter dem weißen Haus links, hatte mir Ian erklärt. Danach immer geradeaus.
    „Meine Lederstiefel werde ich im Koffer lassen können“, dachte ich missmutig, als ich hinter besagtem weißen Haus auf einen matschigen Feldweg abbog. Ich blickte an mir hinunter. Dunkelblaue Wachsjacke, Röhrenjeans und pinkfarbene Gummistiefel. Verglichen mit den Stiefeletten und dem dünnen Kleid, das ich bei meinem Besuch in dem Studentenwohnheim getragen hatte, war die Qualität meines Auftretens deutlich gesunken. Aber in Wahrheit war es nicht mein rustikales Auftreten, das mir auf dem Magen lag. Ich hatte Angst. Furchtbare Angst. Und diese Angst nahm mit jedem Schritt zu. Mehrere Male blieb ich stehen und haderte mit meiner Entscheidung.
    „Du musst das alles nicht tun“, sagte ich zu mir. „Du kannst umdrehen und genauso weiterleben wie bisher.“
    Doch ich wollte nicht umdrehen, und ich wollte nicht so weiterleben wie in den letzten Monaten. Ich wollte Gewissheit und ich wollte, dass sich etwas änderte. Warum zum Teufel fiel mir dieser Weg dann so verdammt schwer?
    An den Pferden konnte ich erkennen, dass ich mich der Ranch näherte. Zwei dicke Ponys und ein hochgewachsener Brauner mit einer weißen Blesse grasten auf einer Wiese, die durch eine Steinmauer von der Straße abgetrennt war. Als sie das schmatzende Geräusch meiner Schritte auf dem nassen Boden hörten, hoben sie die Köpfe. Ich trat an die Weide heran, rupfte ein Büschel Gras aus und versuchte, sie damit anzulocken, doch sie sahen mich nur gelangweilt an und bewegten sich keinen Millimeter.
    Nach einer weiteren Biegung konnte ich das Dach eines flachen Gebäudes sehen. Ich ignorierte die Panik, die sich immer mehr in mir ausbreitete, und kämpfte mich vorwärts. Als ich kurz darauf mein Ziel erreichte, schnappte ich enttäuscht nach Luft. Auf den Bildern im Internet hatte die Slieve Aughty Riding Ranch wie ein großzügiges, modernes Gestüt ausgesehen, doch im wolkenverhangenen Licht des Morgens wirkte sie eher wie ein Bauernhof. Ich konnte mir David beim besten Willen nicht in einer solchen Umgebung vorstellen.
    Ich ging an den Boxen vorbei, um nach einem menschlichen Wesen Ausschau zu halten. Dabei achtete ich darauf, den Pferdeköpfen, die mich über eine schmale Eisenkette hinweg neugierig ansahen, nicht zu nahe zu kommen und zuckte bei dem kleinsten Geräusch zusammen. Wenn David hinter irgendeiner Ecke hervorgesprungen käme, das würde ich nicht überstehen. Ich brauchte Zeit, um mich auf unsere Begegnung vorzubereiten. Obwohl, Zeit … Ich lachte auf. Davon hatte ich wirklich genug gehabt. Und außer einer rotgetigerten Katze, die mir um die Beine strich, und einem schwarzen Pony, das frei herumlief, war niemand zu sehen.
    Als ich mich schon abwenden und meine Suche bei den Wohnhäusern fortsetzen wollte, hielt ein silberner Wagen mit Pferdeanhänger schwungvoll vor den Stallungen. Ein Mann und ein etwa zwölfjähriges Mädchen stiegen aus und führten ein schlankes rotes Pony aus dem Transporter.
    Ich trat zögernd heran. „Gehören Sie zum Hof?“, fragte ich die beiden.
    Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein. Meine Tochter trainiert hier auf dem Cross-Country-Feld. Kann ich Ihnen helfen?“
    „Ich suche den Sohn der Besitzer. Kennen Sie ihn?“
    „Ah. David.“ Der Mann kramte in seiner Jackentasche nach einer Tüte Bonbons und steckte sich eins davon in den Mund. Er schaute zu dem Mädchen hinüber, das gerade dabei war, sein Pony aufzusatteln. „Er ist noch zu weit vorn. Schieb den Sattel ein wenig weiter nach hinten!“, rief er seiner Tochter zu. Dann wandte er sich wieder an mich und hielt mir die Bonbontüte unter die Nase. „Möchten Sie auch eins?“
    Ich schüttelte ungeduldig den Kopf.
    „Wissen Sie, wo ich David finden kann?“
    Der Mann wies mit dem Kinn vage nach rechts. „Schauen Sie im Büro nach oder klingeln Sie im Wohnhaus! Und schicken Sie mir seine Mutter heraus, wenn Sie ihr begegnen.“
    In das Büro konnte man durch ein großes Glasfenster hineinsehen. Auf einem Schreibtisch stapelten sich Papiere, die Wände waren über und über mit Pferdebildern behängt. Doch der Raum war leer. Auch auf mein Klopfen erschien niemand. An einem Gärtchen mit Grillstelle vorbei erreichte ich das mehrstöckige Gebäude, das der Mann als Wohnhaus bezeichnet hatte. Durch eine geöffnete Tür hindurch konnte ich eine riesige Küche

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