Zeit für Plan B
gespielt, dessen Namen ich mir nicht merken konnte, aber ich wusste, dass ich ihn schon einmal am Broadway in irgendwas Wichtigem gesehen hatte. Im Fernsehen wirkte Jack unecht, ein Hollywoodprodukt, wie diese computeranimierten Dinosaurier, die sie für
Jurassic Park
verwendet haben. Die Unwirklichkeit der ganzen Situation traf mich auf einmal mit vollerWucht. Wer war eigentlich Jack Shaw? War es dieser Mann auf dem Bildschirm, der eben einem Angreifer, der sich auf ihn stürzen wollte, geschickt auswich und ihn mit einem Tritt in die Salatbar beförderte? Denn dieser Mensch war ein Fremder für mich. Und doch erkannte ich ihn als meinen Freund Jack wieder. Wir hatten geglaubt, den echten Jack zu kennen, hatten geglaubt, ihm helfen zu können, weil er unser Freund war, aber als ich ihn jetzt im Fernsehen sah, ging mir zum ersten Mal unwillkürlich der Gedanke durch den Kopf, dass das vielleicht der echte Jack Shaw war und unser Freund lediglich ein Stück seiner Vergangenheit, das er zurückgelassen hatte wie uns alle.
»Wir haben einen Fehler gemacht«, setzte ich meinen Gedanken laut fort.
»Welchen denn?«, fragte Alison und wandte sich zu mir um.
»Wir waren uns so sicher, dass wir uns im Recht befinden«, sagte ich. »Wir waren uns sicher, dass wir den echten Jack kennen und dass der berühmte Jack Shaw lediglich ein Job war, oder eine Persönlichkeit, aber so ist es nicht.« Ich deutete auf den Bildschirm, wo Jack jetzt auf einem Motorrad in die Wüste fuhr. »Das ist der echte Jack Shaw«, sagte ich. »Der Mensch, den wir kannten, ist nicht der echte Jack, es ist der alte Jack, und den gibt es nicht mehr.«
»Was willst du damit sagen?«, fragte Alison, während sie sich von der Couch erhob.
»Wir haben’s gut gemeint«, erklärte ich. »Wir wollten ihm helfen. Aber wir konnten ihm nicht helfen. Nicht mehr.«
Alison nahm die Fernbedienung vom Couchtisch und schaltete den Fernseher aus. Einen Augenblick lang stand sie da und starrte auf den blanken Bildschirm, bevor sie mit einer raschen Handbewegung die Fernbedienung quer durchs Zimmer schleuderte, bis sie mit einem dumpfen Knall knapp unter einem gerahmten Monet-Druck gegen die Wand schlug und in Stücke brach. Im Augenblick des Aufpralls ging der Fernseher wieder an; die Fernbedienungschaffte es, ein letztes elektronisches Signal zu senden, bevor sie endgültig den Geist aufgab.
»Hey!«, brüllte Chuck und sprang von der Couch hoch. Wir beobachteten sie ängstlich, aber durch das Schleudern der Fernbedienung quer durchs Zimmer hatte sich die Spannung, die sich in ihr aufgebaut hatte, offenbar etwas gelegt. Mit einem erschöpften Gesichtsausdruck sah sie mich an, und unwillkürlich fragte ich mich erneut, wie viel diese ganze Geschichte ihr eigentlich abverlangte. »Du hast nur zur Hälfte recht«, sagte sie. »Die Frage ist nicht, welcher Jack der Echte ist. Sie sind beide echt, und genau das ist das Problem. Es gibt zwei Jacks, und wenn euch das verwirrt, dann stellt euch einmal vor, wie er selbst sich dabei fühlen muss. Er weiß überhaupt nicht mehr, wer er eigentlich sein soll.«
Wir dachten einen Augenblick lang darüber nach. »Welcher von beiden nimmt denn die Drogen?«, fragte Chuck dümmlich.
»Halt den Mund, Chuck«, sagte Lindsey. »Alison, hast du mit Jack über diese Sache gesprochen?«
»Früher haben wir öfter darüber gesprochen, bevor …«
Auf dem Bildschirm war erneut die Vorderfront des Hauses der Schollings zu erkennen, während Sally Hughes mit ernster Miene ihren Bericht zusammenfasste.
»Wir sind wieder live in Carmelina, New York, vor dem Haus, in das, wie man inzwischen annimmt, Jack Shaw gebracht wurde. Ob er aus freien Stücken hierhergebracht wurde oder nicht, und ob er vielleicht sogar noch dort ist oder nicht, das sind Fragen, auf die wir noch immer keine Antwort haben. Aus Unterlagen der Stadt geht nicht hervor, dass das Haus einer Leslie Scholling gehört, auch wenn wir nicht wissen, in welchem Zusammenhang sie, falls überhaupt, mit Jack Shaw steht …«
Die Vorstellung, dass sich das alles genau vor unserer Nase abspielte, kam mir vollkommen unwirklich vor. Ich starrte auf den Fernseher und fragte mich, ob es irgendwo in dem körnigen Bild des Hauses ein paar Elektronen gab, die mich darstellten. Ich winktemit einem Arm, aber es hatte keine ersichtliche Wirkung auf dem Bildschirm. Alison durchquerte das Wohnzimmer und zog die Vorhänge zu, und auf dem Bildschirm sah ich, wie sie sich über dem Fenster
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