Zeit, gehört zu werden (German Edition)
legt aufgrund ihrer vorläufigen Ermittlungen den Angeschuldigten folgenden Sachverhalt zur Last:
– Gemeinsamen Mord an Kercher, Meredith durch Erdrosselung und Zufügung einer tiefen Schnittwunde mittels einer spitzen, scharfen Waffe … sie haben sich die späte Stunde und die Abgelegenheit der Wohnung zunutze gemacht … und die Tat aus niedrigen Beweggründen begangen, während Guede, unter Beihilfe der anderen, das Opfer vergewaltigte;
– Knox und Sollecito nahmen gemeinsam ohne ersichtlichen Grund ein großes, spitzes Trennmesser aus Sollecitos Wohnung mit;
– Guede zwang gemeinsam mit Knox und Sollecito Meredith Kercher unter Bedrohung und Gewaltanwendung zu sexuellen Handlungen mit manueller oder genitaler Penetration;
– die Angeschuldigten beschafften sich einen ungerechtfertigten Gewinn, indem sie von einer Summe in Höhe von 300 Euro Bargeld, zwei Kreditkarten und zwei Handys Besitz ergriffen, allesamt Eigentum besagter Meredith;
– Sollecito und Knox täuschten gemeinsam einen versuchten Raub vor durch Einbruch in das Zimmer von Romanelli, Filomena, indem sie das Fenster mit einem Stein einschlugen, den sie in der Nähe des Hauses fanden und im Zimmer am Fenster liegen ließen, nur um sich Straffreiheit für die Verbrechen von Mord und Vergewaltigung zu sichern in dem Versuch, die Verantwortung Fremden zuzuschieben, die in die Wohnung eingedrungen seien.
Diese Ereignisse fanden in der Nacht vom 1. auf den 2. November 2007 statt.
– Knox hat in der Nacht vom 5. auf den 6. November 2007 mit weiteren, im selben kriminellen Muster ausgeführten Handlungen, wohl wissend, dass er unschuldig ist, in Erklärungen gegenüber dem Sondereinsatzkommando der Polizei von Perugia fälschlich Diya Lumumba, genannt »Patrick«, des Mordes an Meredith Kercher beschuldigt, um sich und allen Straffreiheit zu sichern, besonders Guede, Rudy Hermann, von derselben Hautfarbe wie Lumumba.
Die Personen, die den vorläufigen Ermittlungen unterliegen, sind zu benachrichtigen, dass die vorläufigen Ermittlungen abgeschlossen sind.
O Gott. Ich bin formal des Mordes angeklagt.
Am liebsten hätte ich geschrien: »So bin ich nicht! Sie haben einen riesigen Fehler begangen! Alle haben mich missverstanden!«
Inzwischen war mein Italienisch so fließend, dass mir klarwurde, wie hinterhältig die Anklagen waren. Außer dem Mord wurde mir zur Last gelegt, widerrechtlich Raffaeles Küchenmesser mit mir herumgetragen zu haben. Das war unerträglich. An Meredith waren echte Verbrechen verübt worden. Die Polizei schuldete ihr reelle Ermittlungen. Stattdessen reimten sie sich Geschichten zusammen, um nicht zugeben zu müssen, dass sie die Falschen geschnappt hatten.
Ich hätte nicht weiter überrascht sein sollen, als ich die formelle Anklage erhielt. Fast ein Jahr lang war ich als Verdächtige in Haft gewesen. Seit dem schrecklichen Tag im Mai, an dem Carlo mich gezwungen hatte, mir die grausamen Autopsiefotos anzusehen, hatte ich damit gerechnet, dass mir die Anklageschrift zugestellt würde.
Doch im Stillen hatte ich gehofft, wenn Mignini alle Beweismittel in Betracht zog, würde er einsehen, dass seine Theorie nicht von Bestand war.
Kurz darauf besuchten mich Luciano und Carlo.
»Jetzt ist Ihre Chance gekommen, aufzustehen und zu kämpfen«, sagte Luciano und boxte in die Luft. »Darauf haben wir gewartet.«
Endlich konnten wir die an die Medien durchgesickerten Fehlinformationen anfechten. Wir konnten erklären, dass das Messer nie die Küche verlassen hatte, der gestreifte Sweater nie verlorengegangen war, die Quittungen nicht für Bleichmittel waren und die Unterwäsche, die ich trug, nicht erotisch war. Wir konnten nachvollziehen, wie die Staatsanwaltschaft auf blutige Fußspuren gekommen war. Wir würden erklären, warum Merediths Blut sich in unserem gemeinsamen Bad mit meiner DNA vermischt hatte, wie mein Blut auf die Badematte geraten war, und die Vorstellung korrigieren, das Verbrechen sei ein außer Kontrolle geratenes Sexspiel gewesen. Wir konnten dem Staatsanwalt widersprechen, der mich als Hure und Mörderin hinstellte. Meine Anwälte würden endlich Einsicht in die Unterlagen der Staatsanwaltschaft bekommen. Keine Überraschungen mehr .
»Unsere Forensiker gehen bereits die Akten durch, um sich auf das Vorverfahren im September vorzubereiten«, fügte Carlo hinzu. »Jetzt, nachdem die Ermittlungen abgeschlossen sind, werden wir einen anderen Vorsitzenden Richter bekommen. Hoffentlich hat der, wer immer es sein
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