Zeit, gehört zu werden (German Edition)
raten, warum Patrick beschloss, seine Anti-Amanda-Rhetorik zu dämpfen. Entweder glaubte er, unter Eid ehrlich sein zu müssen, oder sein Anwalt hatte ihm geraten, sich demütig und sympathisch zu geben – und das Giftspritzen Pacelli zu überlassen. Jedenfalls erklärte Patrick dem Gericht: »Wir hatten immer eine gute Beziehung.«
Dann war ich an der Reihe.
Zuerst hatten meine Anwälte gemeint, es sei riskant, mich aussagen zu lassen. Ich könnte provoziert werden. Sie machten sich Sorgen, die Anklage würde mich dazu verleiten, unabsichtlich etwas Belastendes zu sagen. Ich war schon einmal auf Migninis Wortverdrehereien hereingefallen, als er mich im Dezember 2007 verhört hatte. Und im Vorverfahren war ich in Tränen zerflossen.
Aber ich gab nicht nach. »Ich weiß als Einzige, was ich während des Verhörs durchgemacht habe«, erklärte ich Luciano und Carlo. »Von Ihnen verteidigt zu werden ist nicht dasselbe, wie mich selbst zu verteidigen. Ich muss dem Gericht zeigen, was für ein Mensch ich bin.«
In meinen Augen war es von entscheidender Bedeutung, dass ich aussagte. Ich wollte über meine Beziehung zu Meredith sprechen. Ich musste mein Verhalten im Gefolge des Mordes erklären.
Raffaele sagte nicht aus. Für ihn mag das die richtige Entscheidung gewesen sein. Der größte Teil des Medieninteresses galt mir – Raffaele wurde als Mitläufer seiner bösen Freundin betrachtet.
Ich wollte eines klarmachen: Ihr stellt es so hin, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank, weil ich drei Blutströpfchen im Badwaschbecken gefunden und nicht sofort die Polizei gerufen habe. Aber ich war eine Zwanzigjährige, die genauso mit der Situation umging, wie es viele unerfahrene Menschen täten.
Es ist leicht, meine Reaktion im Nachhinein zu kritisieren, doch als ich an jenem Tag nach Hause ging, wusste ich nicht, dass es einen Einbruch oder einen Mord gegeben hatte. Für mich war das ein ganz normaler Tag. Ja. Die Tür stand offen. Aber ich hatte schon seit meinem Einzug gewusst, dass das Schloss kaputt war. Vielleicht war es ein Anlass zur Besorgnis, aber ich dachte mir einfach, eine meiner Mitbewohnerinnen brächte gerade den Müll hinaus oder sei rasch zum Laden an der Ecke gegangen. Ich war mit meinen Vorbereitungen für unser romantisches Wochenende in Gubbio beschäftigt. Meine Gedanken waren profan. Ich springe rasch unter die Dusche, packe meine Sachen, gehe wieder zu Raffaele, und dann brechen wir auf.
Dass ich Mignini nicht von meiner Unschuld überzeugen konnte, wusste ich. Er war derart versessen darauf, mich zur Strecke zu bringen, dass er für nichts offen sein würde, was seine Meinung ändern könnte. Das war in Ordnung. Ich wollte mich an die Leute wenden, die sich noch nicht auf eine Seite geschlagen hatten.
Der Rat meiner Anwälte war schlicht: »Bleiben Sie ruhig. Wir stellen die Fragen. Niemand wird Sie zur Eile drängen. Es ist in Ordnung, ›ich weiß es nicht‹ zu sagen.«
Ich wollte nicht »ich weiß es nicht« sagen. Aber in den zwei Jahren seit dem Verhör war meine Erinnerung daran unscharf geworden. Ich wollte nicht an dieser Nacht hängen bleiben. Ich hatte versucht, mich von ihr zu lösen. Ob die Leute verstehen würden, wie traumatisierend sie gewesen war?
In den Wochen vor meiner Aussage war ich nervös. Was für Fragen würden sie stellen? Würde ich reden können?
Doch wenn mich jemand fragte, was ich von meinen Gerichtsterminen hielt – dem 12. und 13. Juni –, holte ich tief Luft und sagte: »Ich bin bereit, ich bin bereit. Es muss einfach sein.«
Ich wusste, dass Mignini die Leute gern einschüchterte, und sprach mir selbst Mut zu. Beim ersten und zweiten Mal hat er dich überrascht und dir Angst gemacht. Aber dreimal? Ich glaube nicht!
Als die Termine näher rückten, schlief ich wenig und sprach noch weniger. Journalisten berichteten, ich sei blass und hätte dunkle Ringe unter den Augen.
Ganz recht. Meine Nervosität stand mir ins Gesicht geschrieben. Am Tag vor meiner Aussage erschien ein hässliches Fieberbläschen auf meiner Oberlippe. Im Geist wiederholte ich immer wieder mein Mantra. Du hast keine Angst. Du hast keine Angst vor Mignini. Das ist deine Chance.
Als ich den Staatsanwalt im Gericht sah, kam er mir wie ein Wichtigtuer in einer albernen Robe vor. Ich wünschte, so hätte ich auch empfunden, als er mich zuvor vernommen hatte.
Der Erste, der mich befragte, war Carlo Pacelli, Patricks Anwalt. Ich saß aufrecht da und schaute ihm ins Gesicht. In
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