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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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es war nur so wenig DNA vorhanden, dass es nicht für gültige Ergebnisse gereicht hat. Wir haben alles, was wir brauchen, um den Fall zu kippen!«
    Ich sprang auf und hüpfte herum. Ich hatte so viel zu sagen, dass sich die Wörter in meinem Mund verhedderten. »Danke!«, rief ich. »Ihr habt’s geschafft! Erzählt mal! Wie habt ihr das rausgekriegt?«
    Der Beweis, sagte er, finde sich in den Unterlagen.
    Wir hatten schon vor dem Vorverfahren darum gebeten, die Notizen und Testergebnisse der Anklage sehen zu dürfen. Nur indem wir die Arbeit der polizia scientifica Schritt für Schritt nachvollzogen, konnten wir verstehen, wie die DNA-Analytikerin der Anklage, Patrizia Stefanoni, zu ihren Informationen gelangt war.
    Die Anklage war gesetzlich verpflichtet, uns das Beweismaterial zukommen zu lassen, aber selbst auf die Anweisungen des Richters im Vorverfahren hin hatte sie nicht alles herausgerückt.
    Das war im September 2008 gewesen. Seitdem war bereits ein ganzes Jahr vergangen. An dem Tag, an dem das Gericht sich bis nach der Sommerpause vertagte, hatte Richter Massei die Anklage angewiesen, uns die Unterlagen auszuhändigen.
    Sie hielt noch immer einige Informationen zurück, aber unsere forensischen Fachleute stellten fest, dass die Anklage in den uns übergebenen Papieren eine Tatsache verborgen hatte, die uns eigentlich davor hätte bewahren müssen, überhaupt angeklagt zu werden. Es gab nämlich keine Möglichkeit, das Messer – und damit mich – mit dem Mord an Meredith in Verbindung zu bringen.
    Mir war schon immer klar gewesen, dass Merediths DNA unmöglich an dem Messer sein konnte, und ich wusste seit langem, dass die Anklage den Medien falsche Beweise zugespielt hatte. Jetzt wusste ich, dass diese Fehler nicht versehentlich geschehen waren. Stefanoni und ihr Team hatten gewaltige, absichtlich irreführende Sprünge gemacht und manchmal sogar rundheraus gelogen, um Ergebnisse zu erzielen, die unsere Schuld bestätigen sollten.
    Ich war begeistert und wütend zugleich. Begeistert darüber, dass ich mein Leben zurückverlangen konnte. Wütend, weil sie mich im vollen Wissen um die Existenz entlastender Beweise ins Gefängnis gesteckt hatten. »Wie konnten sie das tun?«, fragte ich meine Anwälte. »Bitte, bitte erklärt mir das.«
    Carlo, der meine Lage nie schöngeredet hatte, sagte: »Das sind Kleinstadt-Kriminalisten. Die jagen lokale Drogendealer und Ausländer ohne gültige Aufenthaltserlaubnis. Sie wissen nicht, wie man eine Mordermittlung korrekt durchführt. Außerdem hacken sie gern auf Schwächeren herum. Einen Fehler einzugestehen hieße zuzugeben, dass sie nicht gut in ihrem Job sind. Die haben Sie verdächtigt, weil Sie sich anders verhalten haben als die anderen. Und sie sind dabei geblieben, weil sie es sich nicht leisten konnten, sich zu irren.«
    Und was Mignini betraf: Das Bedürfnis, in den Augen der anderen recht zu behalten, verdrängte bei ihm alles andere. Wie ich in diesem Sommer herausgefunden hatte, konnte der entschlossene Staatsanwalt auf eine bizarre Vergangenheit zurückblicken. Er hatte wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht gestanden und war dafür bekannt, dass er absonderliche Geschichten erfand, um zu beweisen, dass er recht hatte. Sein eigenes Verfahren ist gegenwärtig in der Revision anhängig.
    2002 hatte er auf den Rat eines Hellsehers hin einen jahrzehntealten ungeklärten Kriminalfall wieder aufgenommen. Das »Monster von Florenz« war ein Serienmörder, der in den siebziger und achtziger Jahren auf turtelnde Paare losgegangen war; er hatte sie ermordet und anschließend Körperteile der Frauen mitgenommen. Mignini ließ die Leiche von Dr. Francesco Narducci exhumieren, nachdem der Hellseher ihm erzählt hatte, der 1985 gestorbene Narducci sei das Monster gewesen, und er habe nicht, wie angenommen, Selbstmord begangen. Stattdessen glaubte Mignini, dass Narducci von Mitgliedern einer satanistischen Sekte ermordet worden war, die befürchtete, das Monster würde sie enttarnen. Er klagte zwanzig Personen an, darunter Regierungsbeamte, Mitglieder derselben geheimen Sekte zu sein wie das Monster.
    Mignini hatte die Angewohnheit, sich an jedem zu rächen, der anderer Meinung war als er, seien es Politiker, Journalisten oder Beamte. Sein übliches Vorgehen bestand darin, ihre Telefone anzuzapfen und sie zu verklagen oder ins Gefängnis zu bringen. Der berüchtigtste Vorfall war die Verhaftung des italienischen Journalisten Mario Spezi und die Vernehmung seines

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