Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Meredith vergewaltigt und ermordet habe und ich im Haus gewesen sei und mir die Ohren zugehalten hätte.
Ich saß da, sie schrien auf mich ein, und ich wollte nur weg, weil ich an meine Mutter dachte, die bald kommen würde. Also habe ich gesagt: ›Kann ich bitte mein Handy haben?‹, weil ich meine Mutter anrufen wollte. Aber sie haben nein gesagt, und dann gab es dieses Chaos. Sie haben mich angebrüllt. Mich bedroht. Erst nachdem ich meine Aussagen unterzeichnet hatte, sagten sie: ›Nein, nein, nein. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir beschützen Sie. Na los.‹ So ist es gewesen.
Bevor sie mich aufgefordert haben, weitere Aussagen zu unterschreiben – ich kann nicht sagen, wie viel Uhr es war, aber an einem bestimmten Punkt habe ich gefragt: ›Sollte ich nicht einen Anwalt haben?‹, weil ich es ehrlich nicht wusste. Ich hatte im Fernsehen gesehen, dass man bei solchen Sachen normalerweise einen Anwalt hat, aber okay, also, sollte ich einen haben? Und mindestens einer von ihnen hat mir erklärt, es wäre schlechter für mich, weil es zeigen würde, dass ich nicht mit der Polizei zusammenarbeiten wollte. Also habe ich verzichtet.«
Dann war Mignini dran. »Warum haben Sie gesagt: ›Patricks Name ist mir suggeriert worden, ich wurde geschlagen, ich wurde unter Druck gesetzt‹?«
Sobald ich zu antworten begann, unterbrach mich Mignini mit einer anderen Frage. Bei meinem Verhör im Gefängnis hatte er das genauso gemacht. Diesmal würde ich mich davon nicht aus der Fassung bringen lassen. Ich würde eine Frage nach der anderen beantworten. Ich ließ mir meinen Ärger anmerken und sagte: »Darf ich weitersprechen?«
Erneut schilderte ich meine Vernehmung vom 5. November. »Als die Polizisten mich anschrien, habe ich mir das Gehirn zermartert, weil ich dachte: ›Was habe ich vergessen? Was habe ich vergessen?‹ Die Polizisten sagten: ›Na los, na los, na los. Erinnern Sie sich? Erinnern Sie sich?‹ Und dann patsch, auf meinen Kopf.« Ich imitierte einen Schlag. »›Erinnern Sie sich!‹, hat die Polizistin gerufen. Und dann noch mal patsch. ›Erinnern Sie sich?‹«
Als Mignini mir erklärte, ich hätte noch immer nicht bewiesen, dass die Polizisten mir Patricks Namen suggeriert hatten, sprangen meine Anwälte auf. Der Wortwechsel war so hitzig, dass Richter Massei mich fragte, ob ich aufhören wolle.
»Nein«, sagte ich.
Am Ende stellte mir der Richter ein paar belanglose Fragen, wie ich fand – zum Beispiel, ob ich die Heizung aufgedreht hätte, als ich am Freitagvormittag in die Villa gekommen sei? Ob wir eine Heizung im Bad gehabt hätten oder ob es dort kalt gewesen sei?
Dann war es vorbei.
In der Vergangenheit war es mir nicht besonders gut gelungen, für mich selbst einzutreten. Ich war stolz, dass es diesmal anders gewesen war. Ich hatte mich nicht kleinkriegen lassen.
Nach der Verhandlung bekam ich zwei Minuten, um mit meinen Anwälten zu reden, bevor die Wachen mich aus dem Gerichtssaal führten. »Ich war nervös, als Sie angefangen haben«, gestand Luciano, »aber am Schluss war ich stolz auf Sie.«
Carlo sagte: »Sie haben’s geschafft, Amanda. Sie sind als nettes, intelligentes, ehrliches Mädchen rübergekommen. Sie haben einen guten Eindruck gemacht.«
Das sollte wohl heißen, dass ich nicht als Foxy Knoxy rübergekommen war.
Während des Prozesses erlaubten die Wachen meinen Eltern eine Zeitlang, mich im Treppenhaus zu begrüßen und sich von mir zu verabschieden, bevor ich das Gerichtsgebäude für den Tag verließ. Mein Vater, meine Mutter, Deanna, Tante Christina und Onkel Kevin warteten dort auf mich. Sie umarmten mich innig. »Wir sind so stolz auf dich«, sagten sie.
So gut hatte ich mich zum letzten Mal gefühlt, bevor Meredith ermordet worden war.
Nach ein paar weiteren Verhandlungstagen kündigte der Richter eine zweimonatige Sommerpause an.
27
1. September – 9. Oktober 2009
D ie vom Gericht verfügten Sommerferien kamen mir so endlos vor wie die Sommer meiner Kindheit. Doch damals hatte Sommer Freiheit bedeutet; jetzt bedeutete er Gefängnis. Zwei verlorene Monate in Gefangenschaft, an deren Ende ich der Freiheit nicht näher sein würde als am ersten Tag.
Anfang September kamen Luciano, Carlo und eine andere Anwältin aus seiner Kanzlei, Maria del Grosso, mich besuchen.
Carlo beugte sich über den Tisch im Besucherraum. »Amanda«, sagte er, »die irren sich!«
Sein üblicher Pessimismus war verschwunden. »An dem Messer war kein Blut«, sagte er. »Und
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