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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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umbrischen Bergen. Rückblickend könnte man meinen, die offen stehende Haustür hätte mir bei meiner Ankunft einen größeren Schrecken einjagen müssen. Das ist aber komisch, dachte ich. Es ließ sich allerdings leicht erklären. Das alte Schnappschloss rastete nur ein, wenn wir einen Schlüssel benutzten. Der Wind muss sie aufgedrückt haben. Ich ging ins Haus und rief: »Filomena? Laura? Meredith? Hallo? Hallo? Jemand da?«
    Niemand. Die Zimmertüren waren geschlossen.
    Die beiden erbsengroßen Blutflecken im Waschbecken des Badezimmers, das Meredith und ich uns teilten, beunruhigten mich nicht weiter. Am Wasserhahn war ein weiterer verschmierter Fleck. Merkwürdig . Ich kratzte mit dem Fingernagel an den Tröpfchen. Sie waren trocken. Meredith muss sich geschnitten haben .
    Erst als ich aus der Dusche kam, fiel mir ein rötlich brauner Klecks etwa von der Größe einer Orange auf der Badematte ins Auge. Noch mehr Blut. Hat Meredith womöglich ihre Tage gekriegt und getropft? Aber wie ist das Blut dann ins Waschbecken gelangt? Meine Verwirrung wuchs. Normalerweise waren wir so ordentlich. Ich ging in mein Zimmer, schlüpfte für meinen Ausflug mit Raffaele in einen weißen Rock und einen blauen Sweater und überlegte mir dabei, was ich nach Gubbio mitnehmen sollte.
    Ich ging ins große Badezimmer, um mir mit Filomenas Föhn die Haare zu trocknen. Als ich ihn wieder an die Wand hängte, sah ich Exkremente in der Toilette. Niemand bei uns im Haus würde vergessen zu spülen.
    Konnte ein Fremder hier gewesen sein? War jemand im Haus gewesen, während ich unter der Dusche stand?
    Ich verspürte einen jähen Anflug von Panik und dieses Kribbeln, das einen bei dem Gedanken befällt, man könnte beobachtet werden. Ich schnappte mir rasch meine Handtasche und meinen Mantel und dachte sogar noch an den Mopp, den ich mitzubringen versprochen hatte. In aller Eile steckte ich den Schlüssel ins Schloss und zwang mich, ihn umzudrehen, bevor ich die Auffahrt entlanglief. Mein Herz klopfte so heftig, dass es weh tat.
    Als ich einen Block von zu Hause entfernt war, machte ich mir im Nachhinein Vorwürfe. Vielleicht hatte ich übertrieben reagiert. Vielleicht gab es einen simplen Grund dafür, dass niemand die Toilette gespült hatte. Ich brauchte jemanden, der mir sagte: Amanda, du hast zu Recht Angst. Das ist nicht normal. Und wenn es nicht in Ordnung war, dann sollte mir jemand sagen, was ich tun sollte. Mein flatteriges Gehirn förderte das Mantra meiner Mutter zutage: Im Zweifelsfall ruf an! Ohne an die neun Stunden Zeitunterschied zwischen Perugia und Seattle zu denken, gab ich die Ziffernfolge für zu Hause ein. Meine Mutter sagte nicht hallo, sondern nur: »Amanda, ist alles in Ordnung? Was ist los?« In Seattle war es mitten in der Nacht, und sie war beunruhigt.
    »Ich bin gerade auf dem Rückweg zu Raffaele«, antwortete ich, »und wollte mich bloß mal melden. Ich hab ein paar komische Sachen in unserem Haus entdeckt.« Ich nannte ihr die drei Gründe, weshalb ich mir Sorgen machte. Dann fragte ich: »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
    »Ruf deine Mitbewohnerinnen an«, sagte sie. »Sprich mit Raffaele, und ruf mich dann sofort zurück.«
    Die Stimme meiner Mutter beruhigte mich. So schlimm kann es nicht sein, dachte ich. Ich bin nicht mehr im Haus. Es ist nichts passiert. Ich bin in Sicherheit. Niemand ist in Gefahr .
    Als Erstes rief ich Filomena an. Zu meiner Erleichterung hob sie ab.
    » Ciao, Amanda«, sagte sie.
    » Ciao . Ich rufe an, weil unsere Haustür heute Morgen offen stand, als ich von Raffaele kam. In dem einen Badezimmer habe ich ein paar Blutstropfen gefunden, im anderen Klo schwamm Kot. Weißt du irgendwas darüber?«
    »Was soll das heißen?«, fragte sie. Ihre Stimme war sofort auf höchster Alarmstufe. »Ich war gestern Nacht nicht da – ich war bei Marco –, und Laura ist geschäftlich in Rom. Hast du schon mit Meredith gesprochen?«
    »Nein, ich hab’s zuerst bei dir versucht.«
    »Ich bin auf der Messe außerhalb der Stadt. Bin gerade angekommen. Probier’s bei Meredith, und geh dann zum Haus zurück. Wir müssen nachsehen, ob irgendwas gestohlen worden ist.« Sie klang besorgt.
    Ich rief Meredith auf ihrem englischen Handy an. Eine Stimme vom Band erklärte, der gewünschte Gesprächspartner sei zurzeit nicht erreichbar. Das kam mir seltsam vor. Dann wählte ich Merediths italienische Nummer. Der Anruf landete direkt auf der Mailbox.
    Mittlerweile war ich wieder bei Raffaele. Er war

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