Zeit, gehört zu werden (German Edition)
mir ein paar Tipps. »Lassen Sie sich von ihm nicht aus dem Konzept bringen. Schweigen Sie, wenn Sie sich nicht genau erinnern. Es ist in Ordnung zu sagen: ›Ich weiß es nicht mehr.‹ Sie müssen nicht Gott und allwissend sein. Besser, man sagt: ›Ich weiß es nicht‹, und wendet sich dem nächsten Thema zu.«
Ich war ein Bündel aus widerstreitenden Empfindungen – einerseits wollte ich den Staatsanwalt und die Öffentlichkeit unbedingt darüber aufklären, wer ich wirklich war, andererseits hatte ich Angst, mich vor aller Welt zu zeigen. Doch in der Nacht vor der Vernehmung gewannen die Nerven die Oberhand. Ich konnte nicht viel von der Pizza essen, die meine Zellengenossinnen und ich abends auf unserem Campingkocher zubereitet hatten. Fast die ganze Nacht warf ich mich unruhig hin und her und dachte darüber nach, was ich dem Staatsanwalt sagen wollte. Als ich am nächsten Morgen um zehn Uhr über das Gefängnisgelände zum Zentralgebäude geführt wurde, summte ich meine Gefängnishymne Let it be vor mich hin, um mich wenigstens ansatzweise zu beruhigen.
Die Besprechung fand in demselben provisorischen Gerichtssaal statt wie mein Haftprüfungstermin fünf Wochen zuvor. Die Umgebung war nicht unbedingt angenehmer als das Büro in der questura, in dem Mignini mich zum ersten Mal befragt hatte. Getrennte Tische für die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft standen an gegenüberliegenden Seiten eines kleinen, düsteren, schmucklosen Raums mit zwei vergitterten Fenstern dicht unter der Decke, damit niemand herein- oder hinausschauen konnte.
Die Anspannung war vom ersten Moment an offensichtlich. Mignini saß mit zwei Polizisten an seinem Tisch und trug, ebenso wie Carlo und Luciano, eine schwarze Robe. Die drei Männer waren auf Kampf eingestellt. Mir war unbehaglich zumute, und ich fühlte mich fehl am Platz, als wäre ich mitten in eine Fehde geraten, die nichts mit mir zu tun hatte.
Aber ich war der Grund für die Fehde. Und die Einzige, die alles richtigstellen konnte.
Mit einem Dolmetscher stand ich neben Carlo und Luciano und wartete darauf, dass Mignini mir das Wort erteilte. Aber das tat er nicht. Statt mir Gehör zu schenken, begann er, mich sofort mit Fragen zu bombardieren.
Wie andere Unterhaltungen auch, fand diese vor langer Zeit statt, und ich kann mich nicht mehr wortwörtlich daran erinnern. Aber nie werde ich die Art der Fragen vergessen, Migninis Tonfall oder seine unverkennbare Absicht. Am stärksten blieb bei mir hängen, dass Mignini mir kein einziges Mal in die Augen schaute. Er starrte auf das Papier in seinen Händen, auf dem seine Fragen standen. Als wäre ich der Mühe nicht wert, die es ihn kosten würde, den Blick zu heben.
»Haben Sie spanische Freunde?«, fragte er – Rudy Guede hatte ausgesagt, er habe sich an Halloween mit spanischen Freunden herumgetrieben.
Ich war ruhig und bestimmt. »Nein«, antwortete ich.
»Was bedeutet Ihr Name Foxy Knoxy?« Die italienische Übersetzung, »bösartiger Fuchs«, verwirrte alle.
»Das ist nur ein Spitzname«, sagte ich.
»Aber was bedeutet er eigentlich?«
»Der hat keine Bedeutung. Es ist ein Wortspiel mit meinem Nachnamen Knox. Meine Mitspielerinnen in der Fußballmannschaft haben mich so genannt, als ich noch ein Kind war.«
»Warum verwenden Sie den, um sich vorzustellen?«
»Das mache ich nicht. Ich stelle mich nicht mit Foxy Knoxy vor.«
»Hatten Sie Probleme mit Meredith?«
»Nein, wir kannten uns noch nicht lange, waren aber befreundet.«
»Kennen Sie Rudy Guede?«
»Ich bin ihm einmal begegnet«, sagte ich, »aber sein Name ist mir erst wieder eingefallen, als er festgenommen wurde.«
Mignini nahm mich in die Mangel wegen meines Drogenkonsums; er wollte mehr erfahren über die Menschen, die ich in Perugia kannte, und die Freunde, die ich in die Villa einlud. Er wollte wissen, wann ich festgestellt hatte, dass Meredith erstochen worden war. Offensichtlich versuchte er nachzuweisen, dass ich die Einzelheiten über ihren Tod bereits erfahren hatte, bevor eine unschuldige Person auch nur die Gelegenheit dazu hatte.
Mich störte, dass Mignini, während ich ihm möglichst ausführlich über einen Dolmetscher antwortete, für gewöhnlich seine Frage wiederholte. Ich fürchtete, dass ich mich nicht klar ausdrückte. Zunächst sprach Carlo, der als zweiter Dolmetscher fungierte, in gemäßigtem Tonfall. Er unterbrach dann und sagte: »Was sie damit sagen will, ist …«, oder: »Die Frage hat sie bereits
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