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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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beantwortet!«
    Meine Anwälte achteten genau auf Migninis Wortwahl, auf seine Wiederholungen, auf die Übersetzung seiner Fragen durch den Dolmetscher und meine Antworten, sprangen auf, um suggestiven Formulierungen und Fehlinterpretationen zu widersprechen. Sie waren bereit, mich davor zu schützen, wovor sie mich gewarnt hatten – die aggressive, hinterhältige Fragestellung durch einen Staatsanwalt, der nicht daran interessiert war, mich ausreden zu lassen, sondern mich dahin zu bringen, dass ich mich belastete. Luciano und Carlo legten ihre Zurückhaltung allmählich ab, je länger sich die Vernehmung hinzog.
    Nachdem ich fünfeinhalb Stunden Rede und Antwort gestanden hatte, war ich erschöpft, aber ich glaubte, alles würde gut werden. Während der kurzen Unterbrechungen legte Luciano mir die Hand auf die Schulter, und Carlo sagte: »Sie machen Ihre Sache gut.«
    Dann kam das Gespräch auf meine Vernehmung in der Nacht zum 5. November und warum ich etwas hatte sagen können, was ich so nicht meinte. Ich erklärte, wie sehr die Polizei mich unter Druck gesetzt hatte, wie verwirrt ich durch ihre Behauptungen war, ich hätte mich mit jemandem getroffen und wäre in der Villa gewesen. Mignini schaltete sofort auf Abwehr. »Ich war dabei«, sagte er. »Das habe ich aus Ihrem Mund gehört.«
    Ich erwiderte: »SIE haben mir das eingegeben. Ich habe gesagt: ›Ich bin mir nicht sicher, ich bin verwirrt.‹«
    Dieses Verhör glich immer mehr der Vernehmung, deren Ergebnisse ich richtigstellen wollte. Es war alles andere als ein neuer Anlauf. Mignini stellte eine Frage, und wenn ich antwortete, wies er meine Erwiderung zurück und fragte noch einmal. Er versuchte mich einzuschüchtern und spuckte mir die Wörter förmlich ins Gesicht.
    Luciano und Carlo beugten sich auf ihren Stühlen vor.
    »Woher kam der Name Patrick?«, wollte Mignini wissen.
    »Von meinem Handy«, antwortete ich. »Weil ich Patrick eine SMS geschickt hatte. Ich schrieb ›bis später‹.«
    »Was meinten Sie mit Ihrer Nachricht?«
    »Auf Englisch bedeutet es ›Auf Wiedersehen‹. ›Bis später‹, das heißt ›irgendwann einmal‹. Damit verabredet man sich nicht mit jemandem. Und ich schrieb ›Buona serata‹ – schönen Abend. Ich hatte nicht vor, mich mit ihm zu treffen.«
    »Warum haben Sie Patricks Nachricht gelöscht?«
    »Manchmal habe ich die Nachrichten gelöscht, die ich erhielt. Ich habe nicht genug Speicherplatz, um sie aufzuheben.«
    »Warum haben Sie gesagt, Sie wüssten nicht mehr, ob Sie diese SMS geschrieben haben?«
    »Weil ich es nicht mehr wusste.«
    »Warum haben Sie Patrick genannt?«
    »Die Polizei beharrte darauf, ich hätte mich mit demjenigen getroffen, dem ich die Nachricht geschickt hatte.«
    »Nein. Warum haben Sie Patrick genannt?«
    »Die Polizei hatte mich über Patrick ausgefragt.«
    »Nein! Warum haben Sie Patrick genannt?«
    »Die Polizei bestand darauf, dass es Patrick war.«
    Er wurde immer aggressiver. »Warum Patrick?«
    »Wegen meiner SMS.«
    »Das ist keine Erklärung.«
    »Doch.«
    »Warum haben Sie behauptet, Patrick habe Meredith umgebracht?«
    »Weil ich durcheinander war. Weil ich unter Druck stand.«
    »NEIN!«, beharrte er. »Warum haben Sie Patrick beschuldigt?«
    Ich war so frustriert wie noch nie. »Weil ich dachte, er hätte es sein können!«, rief ich und begann zu weinen.
    Damit wollte ich sagen, dass ich Patricks Gesicht vor Augen gehabt und daher wirklich flüchtig geglaubt hatte, er wäre es gewesen.
    Mignini sprang auf und bellte: »Ah-ha!«
    Ich schluchzte vor Enttäuschung und Wut.
    Meine Anwälte waren auf den Beinen. »Dieses Verhör ist beendet!«, rief Luciano und fuhr mit dem Arm durch die Luft.
    Carlo und Luciano setzten mich auf meinen Stuhl, nahmen mich in ihre Mitte und sagten: »Schon gut, Amanda. Alles okay. Sie haben Ihre Sache gut gemacht, und wir sprechen darüber, wenn wir das nächste Mal zu Ihnen kommen.«
    Dann führte mich eine Wärterin hinaus. Ich schluchzte hysterisch. Ich hatte mir die größte Mühe gegeben, alles zu erklären, und war komplett gescheitert.
    Dieser Tag hat für mich alles verändert. Ich begriff, dass die Staatsanwaltschaft gar nicht herausfinden wollte, wer Meredith wirklich umgebracht hatte. Mir blieb die entsetzliche Gewissheit, dass ich einen Fehler begangen hatte und nichts tun konnte, um ihn zu beheben. Ich konnte nichts tun, was den Staatsanwalt zum Umdenken bringen würde. In Migninis Händen wurde alles so lange verzerrt und verbogen,

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