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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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unwahr!«
    »Keine Sorge«, sagte Carlo. »Wir werden beweisen können, dass es die Unwahrheit ist, sobald die Staatsanwaltschaft uns Abschriften gibt. Aber bitte lassen Sie sich das eine Lehre sein, Amanda. Die Staatsanwaltschaft wird sich auf alles stürzen, was ihrer Ansicht nach ihren Zwecken dient. Bitte denken Sie daran, dass der Raum, in dem Sie Ihre Eltern treffen, abgehört wird.«
    In Zukunft vorsichtiger zu sein würde dieses ernste Missverständnis nicht sofort aus der Welt schaffen. Ein paar Tage danach zog der Richter meine Äußerungen in Betracht, als er entscheiden sollte, ob ich in Hausarrest überstellt werden konnte. Mein Antrag wurde abgelehnt – ein weiterer, vernichtender Schlag, der charakteristisch für meine ersten Monate im Gefängnis war. Ich saß allein hinter Gittern fest.
    Der Richter, der die abgehörte Unterhaltung ein »Indiz« nannte, schrieb: »Man kann es sicherlich als eine Bestätigung auslegen, dass das Mädchen zu Hause war, als das Verbrechen begangen wurde.«
    Anschließend beschrieb er mich als »schlau und durchtrieben«; ich sei eine »Persönlichkeit mit vielen Gesichtern, losgelöst von der Realität mit einer erhöhten … verhängnisvollen Fähigkeit, erneut zu töten«.
    Erst in meinem Vorverfahren im folgenden September stimmte ein anderer Richter mit meiner Verteidigung überein, dass ich offensichtlich von Raffaeles Wohnung gesprochen hatte, nicht von der Villa, und entfernte diesen Teil aus der Gerichtsakte.
    So wie Carlo mir geraten hatte, nicht über meinen Fall zu sprechen, hatte er mich davor gewarnt, etwas aufzuschreiben – eine Vorsichtsmaßnahme, die ich fast schon für paranoid hielt. Ich hatte angefangen, Tagebuch zu führen, sobald ich ganze Sätze schreiben konnte, und ich sah nicht ein, warum ich zu einem Zeitpunkt damit aufhören sollte, an dem ich dieses Ventil am meisten brauchte. Selbst als mein Tagebuch konfisziert worden war, machte ich mir keine Sorgen darüber, was ich aufgeschrieben hatte. Ich war nicht schuldig. Darüber, was passieren könnte, sobald meine Aufzeichnungen in anderen Händen waren, dachte ich nicht nach.
    Nicht einmal meine Anwälte verstanden meine Grübeleien über Raffaele und das Messer, die ihren Weg in die Zeitungen fanden. Ich hatte eine etwas überkandidelt formulierte Erklärung verfasst, wie er das Messer ohne mein Wissen aus seiner Wohnung mitgenommen haben könnte. Ich musste Carlo und Luciano erklären, dass ich es mir ausgedacht hatte, weil mir ein Messer aus Raffaeles Wohnung mit Merediths DNA so absurd vorkam:
Falls Raffaele beschloss aufzustehen, nachdem ich eingeschlafen war, falls er besagtes Messer nahm, zu mir nach Hause ging, Meredith damit umbrachte, wieder zurückkehrte, es säuberte, meine Fingerabdrücke darauf verteilte, es weglegte und dann wieder ins Bett ging und an den nächsten beiden Tagen so tat, als wäre alles in bester Ordnung – na ja, das alles ziehe ich sehr in Zweifel.
    Doch mir wurde nicht der Luxus zuteil, allen, die es lasen, erklären zu können, was ich da geschrieben hatte. Nachdem die Passage ins Italienische und dann wieder zurück ins Englische übersetzt worden war, hatte sie nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Original – dafür aber große Ähnlichkeit mit den Theorien der Staatsanwaltschaft über die Geschehnisse in der Nacht vom 1. November:
An dem Abend rauchte ich jede Menge Gras und schlief bei meinem Freund zu Hause ein. Ich kann mich an nichts erinnern. Aber es kann sein, dass Raffaele zu Meredith nach Hause ging, sie vergewaltigte und sie dann umbrachte. Und als er dann wieder zurückkam, während ich noch schlief, hat er meine Fingerabdrücke auf dem Messer verteilt. Ich verstehe allerdings nicht, warum Raffaele das tun sollte.
    Bei meinem Treffen mit dem Staatsanwalt würde ich die Unklarheiten über mich aus dem Weg räumen. Ich glaubte, meine Befragung würde alles klären.
    Carlo und Luciano warnten mich, dass es vielleicht nicht so einfach wäre. »Mignini wird gezielte Fragen stellen, um Sie in die Falle zu locken«, sagte Carlo mit ernster Miene. »Er wird Sie als Lügnerin abstempeln wollen. Er will zeigen, dass Sie eine Verbindung zu Rudy Guede haben. Er wird versuchen zu beweisen, dass Sie mutwillig falsch gegen Patrick ausgesagt haben. Sind Sie darauf vorbereitet, Amanda?«
    »Ich weiß«, erwiderte ich. »Ich bin bereit.«
    Aber ich wusste es nicht – und ich war nicht bereit.
    Als das Datum der Vernehmung näher rückte, gaben Luciano und Carlo

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