Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
Vom Netzwerk:
auf den Friedhof geht?«
    Es überraschte mich, daß sie davon wußte. Obwohl es nicht gerade ein Geheimnis war, hatte ich nicht gedacht, daß es sie interessieren würde.
    »Ja«, sagte ich achselzuckend. »Manchmal.«
    »Was macht ihr da, außer daß ihr Erdnüsse eßt?« Das wußte sie also auch.
    »Weiß auch nicht«, sagte ich. »Wir reden… machen Witze. Wir treffen uns dort einfach gern.«
    »Habt ihr manchmal Angst?«
    »Nein«, antwortete ich. »Warum? Würde es dir angst machen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Vielleicht.«
    »Warum?«
    »Weil ich Angst hätte, etwas Falsches zu tun.«
    »Wir machen nichts Schlimmes da. Ich meine, wir stürzen nicht die Grabsteine um oder lassen unseren Müll rumliegen«, stellte ich klar. Von den Gesprächen über Henry Preston wollte ich ihr lieber nicht erzählen, weil ich wußte, daß sie so etwas nicht gern hörte. Erst in der Woche davor hatte Eric nämlich laut darüber nachgedacht , wie schnell wohl ein Einarmiger, wenn er im Bett lag… na ja… ist ja auch egal.
    »Sitzt ihr manchmal einfach nur da und hört auf die Geräusche?« fragte sie. »Auf das Zirpen der Grillen oder das Rauschen der Blätter, wenn der Wind geht? Oder liegt ihr manchmal auf dem Rücken und seht zu den Sternen hinauf?«
    Obwohl auch Jamie seit Jahren ein Teenager war, hatte sie keine Ahnung von anderen Jugendlichen. Offensichtlich waren ihr Jungen in dem Alter so unbegreiflich wie die Relativitätstheorie.
    »Eigentlich nicht«, sagte ich. Sie nickte leicht.
    »Ich glaube, das würde ich tun, wenn ich da wäre, ich meine, wenn ich je auf den Friedhof ginge. Ich würde mich genau umsehen, damit ich nichts übersehe, oder ich würde mich still hinsetzen und lauschen.«
    Ich fand die ganze Unterhaltung merkwürdig und verfolgte sie nicht weiter, so daß wir eine Weile schweigend nebeneinander gingen. Aber da sie mich etwas gefragt hatte, fühlte ich mich verpflichtet, ihr auch eine Frage zu stellen. Ich meine, sie hatte nichts von der göttlichen Vorsehung erzählt, also war es nur anständig, wenn ich sie was fragte.
    »Und was machst du so?« fragte ich. »Wenn du nicht bei den Waisenkindern bist oder verletzten Tieren hilfst oder in der Bibel liest, meine ich?«
    Es klang lächerlich, auch in meinen Ohren, das gebe ich zu, aber schließlich waren das genau die Dinge, die sie tat.
    Sie lächelte mich an. Ich glaube, die Frage überraschte sie, aber noch mehr überraschte sie mein Interesse.
    »Ich mache alles mögliche. Ich lerne für die Schule, ich mache Besuche mit meinem Vater. Manchmal spielen wir Karten. Und so.«
    »Triffst du dich manchmal mit Freunden und alberst herum?«
    »Nein«, sagte sie, und ihr Ton drückte aus, daß ihr bewußt war, daß die anderen sie nicht unbedingt dabeihaben wollten.
    »Ich wette, du freust dich, daß du nächstes Jahr aufs College gehst«, sagte ich, das Thema wechselnd.
    »Ich glaube nicht, daß ich aufs College gehe«, erklärte sie sachlich. Ihre Antwort verblüffte mich. Jamie hatte mit die besten Noten in unserer Klasse, und je nachdem, wie das letzte Halbjahr lief, könnte sie den Abschluß als Jahrgangsbeste machen. Es wurden schon Wetten darüber abgeschlossen, wie oft sie die göttliche Vorsehung in ihrer Rede erwähnen würde. Ich hatte auf vierzehn Mal gewettet, da sie ja nur fünf Minuten hatte.
    »Und was ist mit Mount Sermon? Ich dachte, dahin wolltest du. Da würde es dir gut gefallen«, sagte ich.
    Sie sah mich mit einem Zwinkern in den Augen an. »Du meinst, ich würde genau dahin passen, nicht wahr?«
    Diese Bälle, die sie einem manchmal zuwarf, konnten einen genau zwischen den Augen treffen.
    »So habe ich es nicht gemeint…«, sagte ich hastig. »Es ist nur so, ich habe gehört, wie sehr du dich freust, daß du nächstes Jahr dorthin gehst.«
    Sie zuckte mit den Schultern und antwortete nicht, und ehrlich gesagt, wußte ich nicht, was das bedeuten sollte. Inzwischen waren wir bei ihrem Haus angekommen und blieben auf dem Gehweg davor stehen. Ich konnte Hegberts Schatten im Wohnzimmer erkennen. Das Licht war an, er saß auf dem Sofa beim Fenster. Sein Kopf war geneigt, als läse er. Ich nahm an, es war die Bibel.
    »Danke, daß du mich nach Hause gebracht hast, Landon.«
    Sie sah mich einen Moment lang an, bevor sie zur Haustür ging.
    Als ich ihr nachschaute, konnte ich nicht umhin zu denken, daß dies die seltsamste Unterhaltung war, die wir je gehabt hatten. Obwohl einige ihrer Antworten etwas merkwürdig waren, schien

Weitere Kostenlose Bücher