Zeit im Wind
von Angela, aber rückblickend stellte ich fest, daß das, was ich für Angela empfunden hatte, ganz anders war als die Gefühle, die ich jetzt hatte.
»Woher wußtest du, daß es Verliebtsein war?«
Als ich so neben ihr stand und sah, wie der Wind mit ihrem Haar spielte, wußte ich, daß dies nicht der Zeitpunkt war, ihr etwas vorzumachen.
»Also«, sagte ich ernsthaft, »man weiß, daß es Verliebtsein ist, wenn man die ganze Zeit mit dem anderen zusammen sein will und wenn man irgendwie merkt, daß es für den anderen genauso ist.«
Jamie dachte über die Antwort nach, dann lächelte sie leicht.
»Ach so«, sagte sie leise. Ich wartete darauf, daß sie weitersprach, aber sie sagte nichts mehr, und da begriff ich noch etwas.
Jamie hatte vielleicht keine Erfahrungen mit Jungen, aber ehrlich gesagt, sie wußte genau, wie sie unseresgleichen in den Griff bekam.
Zum Beispiel trug sie die Haare an den nächsten zwei Tagen wieder in einem Knoten.
Am Silvesterabend lud ich Jamie zum Essen ein. Es war ihre erste richtige Einladung. Wir gingen in ein kleines Restaurant direkt am Strand von Morehead City, das Flauvin's heißt. Flauvin's gehörte zu den Restaurants, in denen die Tische weiß gedeckt sind, Kerzen auf den Tischen stehen und um jedes Gedeck fünf verschiedene silberne Besteckstücke liegen. Die Kellner waren in Schwarz und Weiß gekleidet, wie Butler, und wenn man aus den großen Panoramafenstern guckte, die über die ganze Front gingen, dann sah man, wie sich das Mondlicht auf der leicht gekräuselten Wasseroberfläche brach.
Es gab einen Klavierspieler und sogar einen Sänger, zwar nicht jeden Abend, auch nicht jedes Wochenende, aber an Festtagen, wenn man damit rechnete, daß das Lokal voll werden würde. Ich mußte einen Tisch reservieren. Als ich anrief, sagten sie mir, daß sie ausgebucht seien, doch als meine Mom für mich noch einmal anrief, war gerade etwas frei geworden. Vielleicht wollte der Besitzer es sich nicht mit meinem Vater verscherzen, weil er vorhatte, ihn um einen Gefallen zu bitten, oder er wollte ihn nicht verärgern, weil er wußte, daß mein Großvater noch lebte.
Mom hatte übrigens die Idee gehabt, daß ich Jamie in ein besonderes Lokal ausführe. Ein paar Tage zuvor, an einem von denen, als Jamie ihr Haar zum Knoten hochgesteckt hatte, sprach ich mit meiner Mom über das, was ich gerade erlebte.
»Ich denke nur an sie, Mom«, gestand ich. »Also, ich weiß, daß sie mich mag, aber ich weiß nicht, ob sie meine Gefühle erwidert.«
»Ist sie dir so wichtig?« fragte Mom.
»Ja«, sagte ich einfach nur.
»Und, was hast du bisher probiert?«
»Wie meinst du das?«
Mom lächelte. »Ich meine, daß junge Mädchen, auch Jamie, gern spüren möchten, daß sie etwas Besonderes sind.«
Verwirrt dachte ich einen Moment darüber nach. Versuchte ich nicht die ganze Zeit, ihr dieses Gefühl zu geben?
»Na ja, ich bin jeden Tag bei ihr gewesen«, sagte ich. Meine Mom legte mir die Hand aufs Knie. Auch wenn sie keine gute Hausfrau war und mich manchmal ein bißchen aufzog, so war sie doch ein sehr einfühlsamer Mensch.
»Wenn du sie besuchst, so ist das zwar ganz nett, aber nicht besonders romantisch. Du könntest etwas tun, womit du ihr deutlich zeigst, was für Gefühle du für sie hast.«
Dann schlug sie vor, daß ich Jamie ein Fläschchen Parfüm schenken könnte. Obwohl ich dachte, daß Jamie sich vielleicht über das Geschenk freuen würde, klang es irgendwie nicht passend. Und da Hegbert ihr nicht erlaubte, Makeup aufzulegen außer bei der Aufführung zu Weihnachten -, war ich mir sicher, daß sie auch kein Parfüm tragen durfte. Das erklärte ich meiner Mom, und darauf schlug sie vor, Jamie zum Essen auszuführen.
»Ich habe kein Geld mehr«, bekannte ich niedergeschlagen. Obwohl meine Familie reich war und ich ein großzügiges Taschengeld bekam, kriegte ich nicht einfach einen Nachschlag, wenn ich es zu schnell ausgegeben hatte. »So lernt man Verantwortung«, hatte mir mein Vater einmal erklärt.
»Was ist mit deinem Sparkonto?«
Ich seufzte. Dann hörte meine Mom mir still zu, während ich es ihr erklärte. Am Schluß machte sie ein zufriedenes Gesicht, als wäre auch ihr klargeworden, daß ich endlich erwachsen wurde.
»Dann überlaß mir das«, sagte sie leise. »Finde du heraus, ob sie dazu Lust hat und ob Pfarrer Sullivan es erlauben würde. Wenn sie darf, dann wird es schon einen Weg geben, das verspreche ich dir.«
Am Tag darauf ging ich zur Kirche. Ich
Weitere Kostenlose Bücher