Zeit-Odyssee
der tropischen Jura-Sonne nicht aufhören wollten zu tränen.
Schweiß rann mir über Stirn und Brust, und in Gedanken zogen Erinnerungsbilder an meinen Augen vorbei: unsere Station, wie ich sie zum erstenmal gesehen hatte; mein erster Sprung vor langen Jahren, die sauberen, unpersönlichen, kleinen Kajüten, die man nach einer Weile beinahe als Zuhause betrachtete, und die am Ende jedes schwierigen Auftrags zuverlässig auf einen warteten; die Agenten-Kollegen, Männer und Frauen, die unablässig kamen und gingen; die Unterhaltungen im Speisesaal; die peinliche Ordnung und Sauberkeit, die allgemeine Tüchtigkeit; sogar die große Tafel in der Kommandozentrale, die sekundengenau den jeweiligen Status des Zeitsäuberungsprogramms in allen Zeitaltern zeigte. Aber die große Tafel existierte nicht mehr, ebensowenig wie die Kilometer von Mikroband-Aufzeichnungen und der eingetopfte Ginkgo-Baum im Aufenthaltsraum: Alles, alles war zu Schlacke verschmolzen.
Ich dachte an Nel Jard, der mir zugeschrien hatte, daß ich mich davonmachen sollte … Und außerdem noch etwas anderes. Er hatte mir etwas mitteilen wollen. Irgend etwas Wichtiges, etwas, das ich eines Tages an irgend jemanden weitergeben sollte. Alles umsonst. Ich hatte zum letztenmal mit einem menschlichen Wesen gesprochen. Ich war ein Schiffbrüchiger – in einem umfassenderen Sinne als jemals ein anderer Mensch vor mir schiffbrüchig gewesen war. Abgesehen von einigen anderen Nexx-Agenten, die durch die Explosion irgendwo in abgelegenen Gegenden gelandet waren.
Keiner von ihnen jedoch in einer so abgelegenen wie ich.
Bei diesem Gedanken sank mir der Kopf auf die Brust, und ein schwarzer Vorhang senkte sich herab.
6.
Als ich erwachte, ging gerade die Sonne unter, mein Körper schmerzte, und überall juckte es mich. Überdimensionale Moskitos hatten sich auf mir niedergelassen. Ich schlug die hartnäckigsten von ihnen tot und machte mich auf, um mich wieder umzusehen. Größere Verletzungen schien ich nicht davongetragen zu haben, nur eine unübersehbare Menge von kleineren Schnitt- und Schürfwunden sowie hier und da eine Prellung. Am Rande des Kraters, den die Station hinterlassen hatte, blieb ich stehen und betrachtete die Überreste: ein Becken aus geschmolzenem Glas, von ungefähr hundert Metern Durchmesser und von verkohltem Pflanzenwuchs umgeben. Nichts, überhaupt nichts hatte die Katastrophe überlebt, weder Menschen noch Material. Und das Schlimmste von allem war, daß es keinen Transfer mehr zur Nexx-Zentrale geben würde, um dort Bericht über das Geschehene zu erstatten – zur Zentrale nicht, und auch an keinen anderen Ort, in keine andere Zeit.
Irgend jemand, vermutlich die Dritte Ära – oder jemand, als Dritte Ära getarnt –, hatte die Station so gründlich ausradiert, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Doch wie war es diesen Leuten nur möglich gewesen, unsere Station zu orten? Wie hatten sie das in Anbetracht der komplizierten Sicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Lage der 112 offiziellen, über das Zeitalter der Alten Ära verteilten Stationen geschafft? Die Lage der Nexx-Zentrale selbst kannte niemand, nicht einmal die Männer, die sie erbaut hatten. Sie trieb in einer achronischen Blase auf dem entropischen Strom, existierte niemals für eine begrenzte Zeit physisch an einem Raum-Zeit-Ort. Ihr Zugangs-Code lag tief unter zwölf Schichten ineinandergreifender Chiffren im Hauptteil des Nexx-Gehirns vergraben. Zu erreichen war sie ausschließlich über eine der Transfer-Stationen – und nicht einmal über jede Transfer-Station: Es mußte die Transfer-Station sein, auf die mein persönliches Transfer-Feld abgestimmt war.
Und diese Station bestand jetzt aus einer einen Zentimeter dicken Schicht grünen Glases, mit der ein Loch im Sand des Dinosaurier-Strandes ausgekleidet war.
Ein Gedanke tauchte in meiner Erinnerung auf.
Der persönliche Not-Transfer-Apparat, der in meinem Körper installiert worden war, funktionierte noch. Und er enthielt genügend E-Energie für einen Sprung – irgendwohin. Ein Ziel hatte ich nicht, doch das bedeutete nicht, daß ich nicht springen konnte. Es bedeutete lediglich, daß ich nicht wußte, wo ich ankommen würde. Falls ich überhaupt irgendwo ankam.
Damals, in der Nexx-Zentrale, hatten genügend Horror-Storys die Runde gemacht – über das, was einem passierte, wenn einmal ein Sprung daneben ging.
Die einzige Alternative für mich wäre gewesen, mich hier auf dem
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