Zeit und Welt genug
stand auf.
»Ein Gedanke, der nichts einbringt«, sagte er. »Die Nacht vergeht. Ich laufe zum Fluss. Lebt wohl, Freunde.«
Sie erhoben sich alle. Josh setzte Isis auf Beautys Rücken und die immer noch schlafende Summina auf den von Isis.
Die Katze war nicht erfreut, regte sich aber nicht.
Jasmine ging auf Beauty zu.
»Ich habe mich in deiner Gesellschaft wohl gefühlt«, sagte sie leise. »Ich danke dir.«
Sie wussten beide, dass sie einander vielleicht nie mehr wieder sehen würden oder dass, wenn dies doch der Fall sein mochte, alles verändert sein würde. Sie umarmten einander kurz. Beauty hatte keine Worte für seine Empfindungen und wandte sich verwirrt ab.
Er stand Joshua gegenüber. Auch sie wussten, dass sie einander vielleicht zum letzten Mal sahen, aber für sie stand fest, dass nichts sie auseinander bringen konnte. Sie umarmten sich lange. Ihre Gefühle waren klar, ohne Schatten.
»Bis bald, guter Freund«, murmelte Beauty.
»Bis bald«, sagte Josh.
Der Zentaur trabte, ohne sich noch einmal umzusehen, über die Anhöhe nach Norden, Katze und Flatterling auf dem Rücken.
»Geh in gutem Blut«, flüsterte Lon.
Wass schloss die Augen.
»Joshua, Beauty, Jasmine, Wass, Summina, Isis, Lon. Wir sieben Samurai wollen aufbrechen zum Kampf«, sagte sie.
Lon umschlang seine drei Kameraden und flog mit ihnen aufs Meer hinaus.
Für Josh war der nächtliche Flug ein erschreckendes und aufregendes Erlebnis. Wie ein wahrer Traum. Die wenigen Minuten zu ihrem Ziel reichten völlig aus, um ihn für die ganze Nacht mit Adrenalin zu versorgen. Sie näherten sich der Klippe von Westen her, tief über dem Wasser fliegend. Im unteren Viertel der Wand klaffte ein schwarzes Loch wie ein Schlund, und dort quoll Wasser heraus, weiß im Mondlicht, als mächtiger Wasserfall ins Meer stürzend. Lon flog direkt auf die Mündung zu.
Die Öffnung war einen halben Meter breiter als seine Spannweite, so dass er scharf zielen musste. Selbst bei einem kleinen Irrtum wäre sein Flügelende an das Gestein geprallt, und sie wären ins Meer hinabgestürzt und ertrunken. Zum Glück verfügte er über ein untrügliches Schallwellensystem zur Orientierung und hielt mit einer Folge von Hochfrequenzlauten genauen Kurs.
Im Haupttunnel flog er in der undurchdringlichen Schwärze zwanzig oder dreißig Meter weiter, während das Wasser unter ihnen dahinrauschte. Josh hatte große Angst, fühlte sich aber in den Armen des Vampirs gleichzeitig auch seltsam geborgen. Endlich landete Lon bis zu den Hüften im rasch fließenden Wasser, das ihn beinahe umwarf.
Er watete rasch zur Tunnelwand, wo die Strömung bei weitem nicht so stark war. Er stemmte sich an der Wand ein und setzte die anderen ab. Joshua, vom Flug ein wenig schwindlig, stolperte sofort und fiel in die Strömung hinein. Er wurde rasch abgetrieben zu dem Wasserfall, der ins Meer stürzte. Nur mit letzter Kraft konnte er sich im letzten Augenblick an einem Felsvorsprung festhalten, sich hochziehen und gegen die starke Strömung zu seinen Freunden zurückwaten. Sie hielten ihre Lampen auf ihn gerichtet, nachdem sie irgendwo Halt gefunden hatten, konnten aber im Augenblick nicht mehr tun, als hilflos zusehen, während er langsam zurückkam.
Als er bei ihnen war, sagte keiner ein Wort. Jasmine malte einen Kreidepfeil an die Wand. Hintereinander gingen sie flussaufwärts in die Dunkelheit hinein.
An der ersten großen Biegung kamen sie viel leichter voran, weil an der Decke eine Glühbirne glomm. Sie konnten stehen bleiben, die Lampen ausknipsen und sich die Pläne ansehen; die Wassertiefe verringerte sich auf dreißig Zentimeter, und die Strömung ließ beträchtlich nach. Sie erholten sich und atmeten tief ein, lächelten einander nervös an und gingen weiter.
Isis kauerte im Schatten der Zugbrücke auf dem dreißig Zentimeter breiten Streifen Erde an der Außenmauer. Drei Meter darunter strömte der Fluss dahin. Sie war von Beautys Rücken gesprungen, als sie den Fluss erblickt hatten. Während der Zentaur nach Osten ging, um im nahen Urwald Ranken zu holen, mit Summina in seiner Mähne, lief Isis nach Westen. Nach langer Überlegung hatte sie entschieden, dass sie nichts versäumen wollte. Sie vertraute auch nicht darauf, dass Josh ohne ihr wachsames Auge ungefährdet sein würde.
Am Sockel der Außenmauer schaute sie hinauf: Granit, gemörtelt, bis zum Himmel. Sie konnte die Mauerkrone nicht sehen. In der Nähe des Tores hörte sie ein Rascheln – einer der
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