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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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Verstecke. Wurde Räuberin. Eigentlich kam man leicht zu etwas – hier liefen viele Tölpel herum, die meisten reif zur Ernte. Und ich war die Schnitterin. Ließ ihnen immer noch so viel, dass sie mit heiler Haut bis zur Küste kamen, versteht sich, wenn sie schlau und vorsichtig waren. Hielt mich für eine Art selbsternannter Evolutionskraft – nur die Tüchtigsten überlebten, wenn ich sie erleichtert hatte.« Sie lachte fröhlich, dann wurde sie wieder ernst. »Das war meine Halbwüchsigenzeit hier, die meine und die der Welt, was aus ihr geworden war. Bei uns tat sich allerhand, und an die Folgen wurde nicht gedacht.«
    Josh und Beauty ließen sie ein Stück stumm dahingehen, damit sie ihren Gedanken nachhängen konnte. Schließlich lächelte sie wieder und erzählte weiter.
    »Es gab natürlich auch harte Burschen. Solche Gegenden locken sie an. Ovenhead Daley jagte in diesem Gebiet, Snake Alder auch. Und natürlich der alte Dundee selbst. Aber das ist eine andere Geschichte.
    Ich ging jedenfalls eines Tages auf ebendiesem Weg dahin, und was sehe ich in der Ferne? Einen großen Vampir, der aus dem Dschungel eine Holzkiste zog, quer über den Weg, auf der anderen Seite wieder in den Urwald hinein. Ich lief sofort hin, setzte ihm meine Klinge auf die Brust und teilte ihm mit, dass ich die Kiste übernehmen würde. Er legte den Zeigefinger auf die Spitze meines Degens, schob sie langsam weg und sagte überaus hochmütig: ›Sie haben sich deutlich genug ausgedrückt.‹ Das waren die ersten Worte, die Lon jemals zu mir gesagt hat.«
    »Lon? Der Lon, den wir kennen gelernt haben?« fragte Josh.
    »Genau der. Ich trieb ihn ein paar Schritte zurück und öffnete die Kiste mit dem Degen. Und was glaubt ihr, war in dem Ding?
    Neunzig Pfund Rohkokain. Ich wusste natürlich sofort, für wen – für die Brüller. Das war ein Stamm von verrückten Spezialkämpfern. Sie hatten am Big Sticks ein kleines Dorf und stellten immer wieder eine Armee für den nächsten Krieg auf. Sie waren ganz begeistert davon, zu töten und zu sterben. Und sie schnupften alle Koks, vor allem vor großen Kämpfen und während derselben, weil ihnen das so viel Kraft und Energie für den Nahkampf verlieh. Sie brüllten auch beim Kampf, um die Gegner zu erschrecken. Waren sehr schick, die Leute.
    Jedenfalls war Lon Schmuggler. Ich hatte ihn ein-, zweimal in den Häfen gesehen. Offenkundig schaffte er die Ware von den Coca-Gebieten im Osten hinunter zur Brüllerstadt. Ein großes Geschäft, ohne jeden Zweifel. Genug für uns beide, erklärte ich ihm, aber er war nicht interessiert. Ich drehte ihn herum und band die Kiste an seinen Rücken, so dass seine Arme und Flügel gleich mitgefesselt waren. ›Marschier los‹, sagte ich. ›Wohin?‹ fragte er. ›Der Weg führt direkt zur Brüller-Stadt‹, erwiderte ich und trieb ihn nach Süden. Ich muss schon sagen, er war nicht sehr glücklich darüber, auf einem offenen Weg mit gefesselten Händen laufen zu müssen. Es ist immer sicherer, im Dickicht zu bleiben. Auf dem Weg ging es aber schneller, und ich sagte mir, je schneller wir die Ware loswerden, desto besser. Lon gab sich sehr widerstrebend, also musste ich ihn mit meinem Degen ein bisschen antreiben. ›Lauf schön die gelbe Ziegelstraße runter‹, sagte ich, ›dann kriegst du vom Zauberer etwas Schönes.‹ So marschierten wir los, er vorne, ich hinten.«
    Josh war schockiert von diesem neuen Bild von Jasmine als Räuberin. Er warf einen Blick auf Beauty, der aber in die Geschichte zu vertieft war, um es zu bemerken.
    »Wir liefen einen Tag lang so dahin«, sagte Jasmine etwas leiser, »und waren schon ziemlich müde. Ich wollte mich nach einem Baum umsehen, in dem wir die Nacht verbringen konnten, als im Weg plötzlich eine riesige Falltür aufklappte und wir beide hineinfielen. Ich wurde von grauenhaften haarigen Beinen gepackt und immer enger in klebrige, erstickende Fäden eingewickelt. Bis ich mich umschaute, wurde mir klar, dass es aus war mit uns. Spinnen, groß wie Katzen, dutzendweise. Als ich zu Lon hinüberblickte, war er praktisch schon ein Kokon, ganz eingewickelt, während die Spinnen auf ihm herumkrochen. Mir wurde eiskalt, als ich hinsah, kann ich euch verraten. Kurz bevor sie seinen Kopf einwickelten, schaute er zu mir herüber und sagte lächelnd: ›Also, weißt du, Tonto, ich glaube, in Kansas sind wir nicht mehr.‹ Dann deckten sie ihn zu.
    Ein paar bissen uns – in den Bauch, ins Gesicht – und jagten uns ihr Gift

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