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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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angesehen. Als er versuchte, mit ihnen Landhacken zu spielen, und er sein schönes Taschenmesser geschickt mit der Spitze in den Boden schleuderte, hatte Theo Beilen das Messer aus der Erde gezogen, es kurz angeschaut und dann dem Bruno vor die Füße geworfen und gesagt: »Hau ab! Du mit deiner blöden Matrosenmütze, hau ab!«
    Theo wiederholte: »Hau endlich ab!«
    Oma Beilen, die seit Jahren in einem Krankenstuhl tagsüber am Fenster des beilenschen Hauses saß, hatte die Jungen beobachtet. Als Bruno an ihrem Fenster vorbeikam, sprach sie ihn an: »Beiß die Zähne zusammen, Junge! Bald wirst du dazugehören.«
    Aber bis dahin schien es noch ein weiter Weg zu sein, denn schon zwei Tage später, als eine Schar von Jungen und Mädchen bemerkte, dass Bruno offenbar nicht nur als flüchtiger Gast bei den Reitzaks war, hatten sie ihn in eine schmale Toreinfahrt gedrängt. Theo Beilen und Giovanni Parvese waren dabei und auch einige Mädchen.
    Bruno nahm die Fäuste hoch, aber noch schien das nicht nötig. Sie fragten ihn, wie lange er bleibe, und als er sagte: »Immer!«, da wurden sie ein wenig freundlicher, wohl auch, weil Theo Beilen das bestätigte und sagte: »Das hat der Leo Reitzak auch gesagt.« Schon konnte Bruno hoffen, dass sie von ihm ablassen würden, da fügte Gerda Freitag hinzu: »Und einen Schatz trägt der an einer Schnur um den Hals, hat der Leo gesagt.«
    »Gelogen!«, stieß Bruno hervor.
    »Hat er selbst gesehen«, behauptete Gerda.
    »Gestunken und gelogen!«, rief Bruno.
    Theo trat ihm auf den Fuß und stieß zugleich mit beiden Fäusten gegen seine Brust. Bruno schlug mit dem Rücken gegen die Wand.
    »Nicht frech werden, Kleiner!«, sagte Theo.
    »Der Leo lügt mich nicht an«, behauptete Gerda.
    »Los!«, fauchte Theo. »Zeig, was du an der Schnur um den Hals mit dir herumträgst.«
    Bruno griff in den Halsausschnitt seines Pullovers und zog den Brustbeutel heraus. »Ist nichts drin, was euch etwas angeht.«
    »Sicher so was, wie die Indianer mit sich herumtragen«, johlte ein magerer kleiner Junge. »So ’n Medizinbeutel vielleicht.«
    »Zeig uns, was da drin ist«, forderte Theo Beilen.
    Einen Augenblick zögerte Bruno und ihm fiel die Locke von Wanda ein. »Nein«, sagte er. »Ich zeig euch gar nichts.«
    Doch ehe es Bruno noch verhindern konnte, hatte Theo ihn beim rechten Arm gegriffen und drehte ihn mit großer Kraft so weit nach hinten, dass Bruno sich vor Schmerz krümmte.
    »Schau nach, Gerda!«, befahl Theo.
    Gerda nestelte am Verschluss des Lederbeutels. Bruno bäumte sich auf. Da fiel Frau Podolskis Rosenkranz auf den Ziegelboden. Verblüfft lockerte Theo den Griff. Bruno nutzte diesen Augenblick, riss sich los, griff nach dem Rosenkranz, stieß drei, vier Jungen beiseite. Ein Boxhieb von Giovanni traf ihn ins Gesicht, aber er gelangte auf die Straße und rannte wie um sein Leben.
    Der Italiener schrie ihm nach: »Padre Bruno! Padre Bruno!«
    Die Horde folgte ihm. Brunos Beine wurden schwerer, je näher die Verfolger ihm kamen. Er bog am Ende der Blütentalstraße bei Franziskas Laden nach rechts ein. An der nächsten Ecke war ihm Theo Beilen schon dicht auf den Fersen. Bruno hetzte an der Wirtschaft »Zum dicken Pferd« vorbei und an der Ziegelfront des Pferdestalls entlang. Gerade als er das große Eingangstor erreichte, packten ihn zwei Jungen, der eine größer und sicher schon siebzehn, eine Schülermütze schräg auf dem Kopf, und der andere wohl in Brunos Alter. Sie schoben ihn in den Stall hinein und traten wieder in die Toreinfahrt. Die von der Blütentalstraße schienen wie durch eine unsichtbare Wand gehindert, Bruno in das Stallgebäude hinein nachzulaufen.
    »Gib den Padre raus, Alwin!«, forderte Giovanni. »Der gehört zu uns!«
    »Zu euch?«, lachte Alwin. »Davon hab ich wenig gemerkt.«
    »Er hat ’nen Rosenkranz!«, schrie Gerda schrill. »Im Beutel am Hals hat er einen Rosenkranz. Tatsache!«
    »Hast du’s gehört, Manfred?«, fragte Alwin seinen jüngeren Bruder. »’nen Rosenkranz hat er.«
    »Bin ja nicht taub«, sagte der. »Aber was ist dabei. Ich hab auch einen und du doch auch.«
    »Klar«, sagte Alwin. Beide griffen in ihre Hosentaschen und zogen ihren Rosenkranz hervor.
    »Gar nichts ist dabei«, gab Giovanni Parvese zu. »Meine Mutter hat mir auch einen zur Kommunion geschenkt.«
    »Na also«, sagte Alwin. »Lasst den Padre also zufrieden.«
    »Wir dachten, er hat ’nen Schatz in seinem Beutel«, versuchte Gerda zu erklären.
    Die Gruppe

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