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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Alois und ich häufiger ein Freibier. Aber in der Kaserne und auf dem Exerzierplatz ging es dem Alois noch schlechter. Er litt sehr darunter und wurde immer schwermütiger.
    An einem heißen Sommersonntag nun, es war der erste Tag nach wochenlangem Regen, gingen Alois und ich über den Fürstenberg. Die Äcker dampften. Ich muss sagen, er hatte mich mit seinem Suchfieber angesteckt. Kurzum: Ich fand eine Gemme, vom Regen herausgespült und sauber gewaschen, so groß wie ein Hosenknopf. Stahlblau war sie und zeigte mit zierlichem, sauberem Schnitt eine Götterfigur mit einem Tier.
    ›Herkules mit dem Stier!‹, rief Alois begeistert, hielt den Stein ins Licht und schrie. ›Ich suche stundenlang und dann kommst du Dämlack und dir springt der herrliche Stein in die Hand.‹
    In der Wirtschaft ging die Gemme von Hand zu Hand und wurde gebührend bewundert. Der Wirt trat damit auch an den Offizierstisch. Sogleich sprangen zwei junge Leutnants auf. Ich kannte sie vom Sehen. Jeder von ihnen warf ein Zwanzigmarkstück auf unseren Tisch. ›Wir kaufen sofort und zahlen in bar‹, sagten sie. ›Ich verkaufe nicht‹, erwiderte ich. ›Hat Er wohl nicht nötig, das Geld‹, höhnte einer. ›Lässt Er wohl lieber seine Mutter in Armut sitzen, anstatt ihr den Goldfuchs zu schicken.‹ – ›Ich verkaufe nicht.‹ Ich blieb hart. Schließlich zogen sie zornig wieder an ihren Tisch zurück. Ich hätte das Geld wirklich gebrauchen können, denn ich hatte nur zwei Mark in der Tasche.
    Einige Bauern setzten sich zu uns an den Tisch. Alois erzählte von Herkules, der die Erdkugel auf seinen Schultern getragen hatte, aber er war irgendwie nicht bei der Sache, schien traurig, wohl auch, weil nicht er den Stein gefunden hatte.
    Ich trank ein Bier und einen Schnaps, und dann stand wieder ein gefülltes Glas vor mir und auch vor Alois, und wieder eins, und wir tranken und nahmen an, das sei der Lohn für Alois’ Geschichten.
    ›Wir wollen losgehen‹, sagte ich schließlich. ›Wir müssen den Zug erreichen. Um zehn Uhr ist Zapfenstreich.‹
    Wir standen auf und wollten das Lokal verlassen.
    ›He!‹, rief der Wirt. ›Bitte zahlen, die Herren!‹
    Wir blieben verdutzt stehen. Der Wirt kam mit zwei Bierdeckeln auf uns zu und sagte zu mir: ›Für dich, Musketier, macht es genau zwei Mark. Und für unseren Geschichtenerzähler eine Mark mehr. Glatt ’nen Taler.‹
    ›Wir dachten …‹, stotterte ich.
    Ein Offizier trat herzu und sagte: ›Schwierigkeiten, Herr Gastronom?‹
    ›Nein, nein‹, beeilte ich mich zu sagen, zog meine Geldbörse und gab mein letztes Zweimarkstück dahin. Alois stand blass da, suchte in seiner Tasche, ließ aber schließlich die Arme sinken und stotterte: ›Ich habe keinen Pfennig mehr. Ich dachte, wie sonst auch schon …‹
    ›Zechpreller also‹, befand der Offizier.
    ›Die Männer kommen häufiger‹, versuchte der Wirt einzulenken. ›Der Musketier Alois kann vielleicht …‹
    ›Nichts da!‹ Der Offizier reckte sich hoch auf und streckte die Brust so nach vorn, dass seine Orden sich wie Stacheln aufrichteten. ›Das geht gegen die Ehre des Regiments. Schulden dürfen nicht gemacht werden.‹ Er wandte sich an den Wirt. ›Setzen Sie den Mann fest, Herr Gastronom! Sperren Sie ihn in den Stall zu den Schweinen. Wir werden ihn später zur Kaserne eskortieren lassen. Erst saufen und dann die Zeche schuldig bleiben, so weit kommt es noch!‹
    Ich versuchte zu retten, was zu retten war, und sagte: ›Ich bürge für meinen Kameraden.‹
    ›Kann Er für ihn zahlen?‹ fragte der Offizier.
    ›Nein.‹
    ›Ach, und sein Steinchen will Er ja nicht verkaufen.‹ Der Offizier lächelte hinterhältig und ging an seinen Tisch zurück.
    Ich setzte mich auch wieder nieder, zog die Gemme aus der Brusttasche und legte sie auf die flache Hand. Wie gewonnen, so zerronnen, dachte ich und rief zu dem Offizierstisch hinüber: ›Ich verkaufe also den Götterstein, wie die Herren Offiziere es wünschen.‹
    Einer schob den Stuhl zurück und schlenderte herüber zu mir. Er schaute den Stein durch sein Monokel genau an. ›Gut‹, sagte er, ›ich gebe ein goldenes Zehnmarkstück dafür.‹
    ›Vor drei Stunden haben Sie mir zwanzig Mark dafür geben wollen.‹
    ›Du sagst es: Vor drei Stunden. Aber jetzt hat sich die strategische Lage grundlegend geändert.‹ Er legte die Gemme auf den Tisch und ein Zehnmarkstück daneben. Stein und Goldstück waren ungefähr gleich groß. ›Nun, was ist?‹, fragte er

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