Zeit zu hassen, Zeit zu lieben
Tässchen Kaffee.« Dann ging sie in ihre Wohnung zurück. Noch bevor sie ihr Grünes wieder über den Kopf streifte, steckte sie das Geld in einen braunen Umschlag und legte diesen tief unten in ihre Kiste.
»Ich habe es dir ja gleich gesagt, Mathilde«, sagte ihr Mann und fuhr tröstend fort: »Gott wird es schon richten mit dem Padre.«
Sie zuckte die Achseln und sagte: »Er hat so viel zu richten. Wird er denn den Bruno bemerken?«
Am Wochenende gingen Franziska und Paul in Karls Garten. Resi war auch dort.
»Bald kann ich die Bohnen setzen«, sagte Karl.
»Erst müssen die Eisheiligen vorbei sein«, meinte Resi.
Paul lenkte das Gespräch auf Bruno. »Der Junge macht mir Sorgen«, sagte er. »Schon einen Monat lungert er herum. Ohne Lehrstelle kommt er noch auf die schiefe Bahn.«
»Du weißt es ja, Paul«, sagte Karl, »bei uns ist im Augenblick nichts zu machen. Der Zug ist für dieses Jahr abgefahren.«
»Du müsstest vielleicht mal mit Kaplan Klauskötter reden, Paul«, schlug Franziska vor. »Der kennt doch viele Leute und außerdem hat er den Bruno nicht aus den Augen verloren, seit er ihn damals aufgelesen hat.«
Paul schaute Karl fragend an, doch der sagte: »Da darfst du mich nicht fragen, Paul. Mit der Kirche habe ich nichts mehr am Hut. Seit ich bei der SPD bin, haben sie mich rausgeekelt. Das spürt unsereiner deutlich. Und wo man uns nicht will, da bleiben wir eben weg.«
»Außerdem«, fügte Resi hinzu, »die Kirche hält es doch mit den dicken Brieftaschen. Das war immer schon so.«
»Das kannst du so nicht sagen, Resi«, ereiferte sich Paul. »Der Bischof Ketteler, Adolf Kolping, der Sonnenschein in Berlin, viele andere, die haben sich gerade für die Arbeiter eingesetzt.«
»Geht es um die Kirche oder um den Padre?«, fragte Franziska.
»Du hast recht«, sagte Paul. »Ich werde mit dem Kaplan sprechen.«
Als Paul und Franziska sich auf den Heimweg machten, trug Franziska einen Strauß gelber Narzissen in der Hand. »Du kümmerst dich um den Padre, als ob er zu deiner Familie gehörte«, sagte Paul.
»Er wohnt bei uns, er lebt mit uns«, antwortete sie. »Irgendwie fühle ich mich verantwortlich.«
»Aber mich, mich lässt du ziemlich links liegen«, scherzte Paul.
»Du hast doch eine Stelle, oder?«, antwortete sie kühl. »Außerdem bist du alt genug.«
»Für dich?«, fragte Paul.
»Lass das!«, wehrte sie ab.
Am Sonntag nach der Elfuhrmesse wartete Paul, bis Kaplan Klauskötter aus der Sakristei kam.
»Wie geht es unserem Findelkind?«, sprach Klauskötter ihn an.
Paul erzählte, was er auf dem Herzen hatte.
»Das müssen wir ändern«, sagte der Kaplan. »Müßiggang soll ja aller Laster Anfang sein. Kommen Sie mit mir. Wir fragen Steiner. Steiner kennt hier beinahe jeden.«
Klauskötter überquerte die Straße und ging durch einen Toreingang in einen geräumigen Hof. Eine junge Frau schaute aus dem Fenster und sagte: »Sie suchen sicher meinen Vater.«
»Ja, genau den suchen wir.«
»Er muss jeden Augenblick aus der Kirche zurückkommen«.
Kaplan Klauskötter ging zu ihr ans Fenster und berichtete, um was er bitten wollte.
»Vielleicht kann mein Vater selbst eine Hilfe gebrauchen. Die Schreinerei, die Bestattungen und die Kirche obendrein, das ist zu viel für ihn. Er ist nicht mehr der Jüngste.«
»Ich könnte mir auch denken, Fräulein Steiner, dass Sie in der Schreinerei einen anstelligen Jungen unterbringen könnten«, sagte Klauskötter.
»Da ist Vater ja! Ich bin auch gespannt, was er dazu sagen wird.«
Der Kaplan wiederholte seine Bitte.
»Ich könnte schon einen Jungen beschäftigen«, sagte Herr Steiner. »Arbeit gibt’s genug. Aber er muss absolut zuverlässig sein. Sie wissen ja, Kaplan, ich bin nicht nur Schreiner, sondern auch Küster. Der Junge ist also oft in der Werkstatt sich selbst überlassen.«
»Ich lege meine Hand für den Jungen ins Feuer«, rief Kaplan Klauskötter überschwänglich.
Hoffentlich verbrennt er sich nicht, dachte Paul.
»Gut, dann soll er gleich morgen um acht Uhr kommen. Zur Probe zunächst. Sagen wir, für vier Wochen.«
»Kann ich jetzt endlich das Essen auftragen?«, nörgelte Herrn Steiners Tochter.
»Aber sicher, wir sind schon weg!«, rief der Kaplan und rannte davon, dass die lange Soutane ihm um die Beine flatterte.
Als Paul wieder auf der Straße stand und sich bei dem Kaplan bedankt hatte, fiel ihm das Firmenschild der steinerschen Werkstatt ins Auge. »Schreinerei und Bestattungen«.
»Ach je«, sagte
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