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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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nicht.«
    Sie schleppten die Kiste wieder an ihren Platz zurück und stellten dabei fest, dass es nicht die einzige war. Sie gruben und fanden zwölf Karabiner und mehrere Kisten Munition.
    »Ein richtiges Depot«, flüsterte Alwin. Dann sagte er: »Haltet ja den Mund. Wenn einer weiß, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind, dann geht’s uns schlecht.«
    »Wir schweigen wie ein Grab!« Bruno legte seine beiden Zeigefinger über Kreuz.
    »Kaum ist er bei einem Bestatter, da fängt er schon an, von Gräbern zu reden«, hänselte Alwin ihn.
    »Was wollen die Rechten mit solchen Waffen?«, fragte Manfred.
    »Du müsstest mal den Hermann Cremmes hören, wenn der loslegt«, erzählte Bruno. »In München hat er einen Mann erlebt, der den Hermann richtig fanatisch gemacht hat. Hermann hat gesagt, dass sein Adolf Hitler so eine Art neuer Augustus sei.«
    »Was soll das denn bedeuten?«, fragte Manfred und summte: »Oh, du lieber Augustin, alles ist hin.«
    »Schwachkopf!«, sagte Alwin. »Augustus war Kaiser in Rom.«
    »Ach ja«, erinnerte sich Bruno. »Als Christus geboren wurde.«
    »Bei den Evangelischen lernst du die Bibel hin und zurück«, neckte ihn Manfred.
    »Ich finde das gar nicht schlecht, dass die Reitzaks jeden Samstag ein Stück aus der Bibel vorlesen«, verteidigte Alwin seinen Freund. »Aber mit Augustus war das so: Der dachte, wenn Frieden auf der Welt herrschen soll, dann müssen meine Soldaten die ganze Welt erst einmal erobern. Der Friede Roms, ›Pax Romana‹.«
    »Schön schlitzohrig finde ich den Augustus. Durch Krieg zum Frieden«, sagte Manfred.
    Bruno bewunderte Alwin, der durch seine Schule so vieles kannte, von dem er nie etwas gehört hatte. Er dachte immer wieder daran, wie schön es wäre, wenn auch er weiter zur Schule gehen könnte. Sprachen würde er lernen, das Latein verstehen, das ihm in der Kirche so gut in den Ohren klang, aber dessen Bedeutung er nicht einmal erraten konnte.
    Alwin fragte nach einer Weile: »Und so ein Augustus soll der Adolf Hitler sein, der alle, auch mit Gewalt, auf seine Spur zwingt?«
    »Neulich hab ich auf der Straße die Roten singen hören: ›Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein‹«, leierte Manfred.
    »Ist sowieso oft nur ein kleiner Schritt, bis einer radikal wird. Sieht man doch an Mathes«, behauptete Alwin.
    »Wie meinst du das?«, fragte Bruno.
    »Das war mal einer von uns. Dann ist er zu den Roten gegangen.«
    »Gegangen ist gut,« sagte Manfred. »Wir haben ihn rausgeekelt. Weil er am 1. Mai mit den Roten marschiert ist. In unserer Fahrtenkluft auch noch dazu. Und eine rote Fahne hat er getragen. Angestimmt hat er einen Spruch, der hieß, glaub ich: ›Wenn der Arbeiter nicht wär, wo käm das Geld und Gut wohl her?‹«
    »Stimmt doch genau«, sagte Bruno.
    »Da war unser Pastor Kunze aber anderer Meinung«, fuhr Manfred fort. »Er hat gesagt, wir kämen so lange nicht mehr in unseren Gruppenraum, bis die faulen Äpfel aussortiert wären. Wegen der Ansteckungsgefahr, weißt du?«
    »So geht es manchmal«, sagte Bruno. »Der Mathes ist von euch zu den Roten gegangen und ich bin von den Roten gekommen.«
    »Du von den Roten?«, fragte Alwin ungläubig.
    »Ja, mein Bruder war ein Spartakist. Für seine Überzeugung ist er gefallen. Ich war dabei.«
    »Und nun?«, fragte Manfred.
    »Der Karl Schneider hat oft mit mir darüber gesprochen. So, wie man mit einem Erwachsenen spricht, so hat er mir erklärt, dass es in Deutschland anders ist als in Russland. Hier haben sich die Arbeiter Schritt um Schritt Rechte erkämpft! ›Hier haben die Menschen mehr als ihre Ketten zu verlieren‹, hat er gesagt. Und das ist nicht der Boden für eine Revolution. Es müsse eben Stück für Stück mehr Gerechtigkeit erstritten werden.«
    »Sagt unser Vater auch immer«, bestätigte Manfred.
    »Und was hat Klauskötter dazu gesagt, dass der Mathes März rausgeschmissen worden ist?«, fragte Bruno.
    »Der sagt, wenn er damals schon hier gewesen wäre, dann hätte er dem Pastor ins Angesicht widerstanden.«
    »Steht geschrieben«, sagte Bruno.
    »Bitte?«, fragten beide Brüder verblüfft.
    »Na, der Paulus hat dem Petrus in Jerusalem ins Angesicht widerstanden.«
    »Ich weiß nur eins«, sagte Manfred. »Pastor Kunze hätte nur einmal tief eingeatmet und seinen Kaplan wie einen Spatz weggepustet.«
    »Spatz!«, rief Bruno. »Spatz in der Hand!«
    »Spinnst du?«, fragte Alwin.
    »Mir fällt nur gerade wieder ein, dass ich Spatzen

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