Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
Vom Netzwerk:
legte das Silberstück zwischen die Zähne und biss darauf. »Reines Silber«, lobte er. »Ich will daraus einen Ring schmieden.«
    »Aha, einen Ring. Ich verstehe. Einen Fingerring für ein zierliches Fingerchen.« Er lachte dröhnend. »Verdimmich, jung müsste man sein. Vielleicht würde ich dann auch noch ein Geschmeide schmieden. Eintrittsgeld für ein Frauenbett, sozusagen. Für ’nen Taler in den siebten Himmel.« Er kicherte.
    Vier Abende arbeitete er in der Schmiede, dann war der Ring fertig. Aber vorher waren mehr als zwei Wochen hingegangen, bis er endlich das notwendige Ringmaß für Franziskas Finger herausbekommen konnte. Er hatte ihr schließlich in ihrer Werkstatt einen kleinen weißen Gardinenring übergestreift und gesagt: »Solltest eigentlich längst einen goldenen tragen mit meinem Namen drin.«
    Franziska hatte dazu geschwiegen, den Gardinenring vom Finger gezogen und ihn achtlos beiseitegelegt. Er hatte ihn in die Tasche gesteckt.
    »Wenn mein Leo doch auch so auf Hochzeit aus wäre«, hatte Katharina geseufzt. Katharina war eine schwarzhaarige Näherin, die für Franziska arbeitete. »Ich würde nicht Nein dazu sagen.«
    »Mein Bruder Leo ist einundzwanzig. Er sollte nicht so oft hier in der Schneiderei herumlungern und dir den Kopf verdrehen. Eine Näherin muss ihre Gedanken beisammenhalten.«
    »Haben Sie über mich zu klagen, Chefin?«, hatte Katharina pikiert gefragt.
    »Manchmal«, war die Antwort von Franziska gewesen. Dann hatte sie zu Paul gesagt: »Raus mit dir! Du hältst meinen Laden nur auf. Männer sind hier unerwünscht.«
    Paul hatte einen schmalen Silberring geschmiedet. Der Steg hielt in einem kleinen Sechseckrahmen eine winzige, mit bloßem Auge kaum sichtbare Biene.
    Bruno erkannte in der Wabe gleich das Zeichen der Bienmanns. »So ein ähnliches Zeichen haben der Lukas Bienmann und auch dein Bruder Johannes in die Balken eingeschlagen, wenn sie in Ostpreußen ein Haus gebaut haben«, sagte er.
    »Alle Bienmanns haben ihr Zeichen«, erklärte Paul. »Das kommt von den Zimmerleuten her. Warum soll ich nicht auch eins haben?«
    Zu Weihnachten schenkte Paul der Franziska den Ring. Sie freute sich sehr darüber und trug ihn sogar bei der Arbeit.
    Aber es waren solch kleine Zeichen, mit denen sich Paul zufrieden geben musste. Sie lässt sich viel zu viel Zeit, dachte er voll Ungeduld. Es gab auch Tage des Zweifels und der Eifersucht für ihn. In Abständen von vier Wochen etwa kamen die blassblauen Briefe aus Holland an. Oft verschwand Franziska dann für einen ganzen Tag.
    »Ich fahre heute nach Emmerich«, sagte sie dann. Erst spät in der Nacht kam sie nach Hause zurück, blass und erschöpft. Wenn er darauf anspielte, war sie ihm bisher immer ausgewichen. Aber eines Abends im Februar nahm er sich vor, sie geradeheraus zu fragen, was es mit den geheimnisvollen Reisen auf sich hatte. Er wartete so lange, bis er annahm, dass Franziska nur noch allein in der Werkstatt war, und ging dann hinüber.
    Es war schon ziemlich dunkel. Er wunderte sich, dass in der Werkstatt kein Licht brannte. Ganz vorsichtig fühlte er, ob die Tür bereits verschlossen war, aber sie ließ sich leicht öffnen.
    Er trat in den Laden. In der Ecke zum Hof hin rührte sich etwas. Diebe, schoss es ihm durch den Kopf.
    Er rief laut, wohl auch, um seine aufwallende Angst zu übertönen: »Ist da jemand?« Nichts bewegte sich. Er riss ein Streichholz an und entzündete das Gaslicht.
    »Ach, es ist der geduldige Liebhaber!«, ertönte Leos Stimme.
    Paul erstarrte. Leo lag mit Katharina in der Ecke der Werkstatt. Sie knöpfte verlegen und ungeschickt ihre Bluse zu. Ihr Gesicht war rot und erhitzt.
    »Sag bitte nichts der Chefin, ich flehe dich an! Sie schmeißt mich sonst raus«, flehte Katharina.
    »Macht, dass ihr wegkommt«, sagte Paul.
    »Wir gehen schon, Kostgänger«, feixte Leo.
    Als er an Paul zur Ladentür hin vorbeiging, sagte er vertraulich: »Das ist ein schönes warmes Plätzchen da in der Ecke. Wäre das nicht auch etwas für Franziska und dich?«
    Pauls Faustschlag wich Leo geschickt aus und entwischte.
    Irgendwie beneidete Paul den Leo, der so »forsch« an die Weiber ranging, wie er selbst von sich sagte. Aber als Franziska eine halbe Stunde später in die Werkstatt trat, da sagte er leise zu sich: »Für so etwas bin ich wohl doch nicht der Richtige.«
    »Bitte?«, fragte Franziska. »Führst du Selbstgespräche?«
    Er zuckte mit den Schultern und antwortete: »Was bleibt mir übrig, wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher